Schatz, schmeckts dir nicht
ganze Verzweiflung offenbaren wollen, er hätte nichts davon verstanden!!
Sie fühlte sich entsetzlich allein. Doch es half kein Weh noch Ach, sie musste den Abend mit Bravour auf der Bühne dieser Partygesellschaft überstehen. Erst hatte sie viel Mühe darauf verwendet, den anderen zu erklären, warum ihr Mann nicht rechtzeitig zu der Einladung kommen konnte. Und nun erschien er endlich in Begleitung einer anderen Frau, zu der er ein offenbar sehr vertrautes Verhältnis hatte.
Natürlich folgte, was mit Dianes Erscheinen bei derartigen Anlässen vorprogrammiert war. Sie lehnte alle Speisenangebote ab, trank nur Wasser, provozierte entsprechende Nachfragen und outete sich im dramaturgisch günstigsten Moment als Vegetarierin, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass mittlerweile auch Jan sich dieser Lebensweise angeschlossen hätte.
Helene bemerkte sehr wohl, dass es seit der Ankunft der beiden in Violas Hirn zu arbeiten begonnen hatte, und ihre kleinen Augen flink zwischen ihnen dreien hin und her huschten. Ihre Hoffnung, irgendeinen Hinweis auf ein Beziehungsdrama aufzuschnappen, stand ihr auf die fettige Stirn geschrieben. Doch Helene hatte nicht vor, dafür auch nur den geringsten Hinweis zu liefern. Mit interessierter Miene verfolgte sie die Gespräche über Vegetarismus, ganzheitliche Lebensweise, ökologisches Bauen und lauschte aufmerksam den bekannten Erzählungen aus Dianes buntem, bewegtem Leben. Sie vermerkte verblüfft, dass sogar diese abgeklärte Runde von Diane auf rätselhafte Weise in ihren Bann gezogen wurde.
Natürlich wurde das von ihr sorgfältig geplante und zubereitete Menu dadurch absolut zweitrangig. Einzig Gerold widmete dem Verspeisen der Gänsekeule in Sauer, den köstlichen Bratkartoffeln und dem herrlich pikanten Salat in Specksirupsauce seine ganze Energie. Auf seiner kahlen Stirn perlte der Schweiß, und er prostete Helene ein ums andere Mal mit seinem gläsernen Bierkrug glücklich zu.
Sie sah zu Jan hinüber, der die gewohnte Gelassenheit und Freundlichkeit ausstrahlte. Meist hörte er den anderen zu, und ergriff nur selten das Wort, doch wenn er es tat, in seiner ruhigen, überlegten Art, redete nie jemand dazwischen. Sie konnte sich auch nicht beklagen, dass er ihr zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Wenn ihn etwas im Laufe der Gespräche amüsierte, lächelte er ihr einverständig und vertraut zu. Er lobte ihre Krabbensuppe und zwinkerte belustigt, als er Gerolds ehrfürchtige Dienstfertigkeit ihr gegenüber bemerkte. Immerhin.
Die meiste Zeit allerdings lauschte er fasziniert wie die übrigen Gäste den Erzählungen Dianes, die er eigentlich schon in- und auswendig kennen musste, und hin und wieder steckten die beiden vertraut die Köpfe zusammen. Pest und Cholera!
Helene servierte mit freundlicher Miene einen friesischen Schafskäse – einen halbfesten, weißen Schnittkäse mit kleinen Löchern in hellgelber Schale von mildaromatischem Geschmack, begleitet von gesalzener Marschbutter und einem kernigen Schwarzbrot. Wer wollte, trank dazu einen eisgekühlten Kümmel.
Wie ein treues Hündchen folgte Gerold Helene nun jedes Mal in die Küche. Sie hatte ihn vollends verzaubert. So langsam begann er ihr auf die Nerven zu gehen. Bier und Kümmel taten das Übrige, ihn mitteilsam und anlehnungsbedürftig zu machen, und sie war wirklich nicht in der Stimmung, einen versoffenen, einsamen Musiker zu betreuen.
Pflichtgemäß, ohne Freude und das übliche Engagement, setzte sie die Menufolge fort. Ein großer Teil ihrer Aufmerksamkeit wurde von Diane gefesselt, die sich in bester Laune zum strahlenden Mittelpunkt der Festgesellschaft entwickelte. Alle schienen sie wahnsinnig interessant zu finden.
Ihr Reservoir an Geschichten aus ihrem Leben war unerschöpflich. Man erkundigte sich nach dem schlichten Hanfkittel, um den sie einen breiten, schwarzen Ledergürtel mit einer riesigen Silberschnalle trug – eine indianische Handarbeit, die der Künstler, ein Freund natürlich, in der Zeit, als sie bei den Indianern lebte, speziell für sie angefertigt hatte. Und sogleich folgte die Geschichte ihres Stammesnamens. Sie wurde nämlich Lachtaube genannt. Ach was, dachte Helene, da wäre ich nie draufgekommen, und ertrug den unweigerlich folgenden Heiterkeitsausbruch Dianes.
»Diese Insel ist ein ganz besonderer Ort. Viele positive Energiemeridiane scheinen sich dort zu konzentrieren. Ich habe einige Zeit auf Lanzarote gelebt und dort ein spirituelles Zentrum mit aufgebaut, und
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