Schatz, schmeckts dir nicht
eifersüchtig sein, Dieter?«
»Da wäre wohl zuallererst die Frage auf wen, meine liebe Freundin! Aber Scherz beiseite: Ich fühle mich eben nach wie vor verantwortlich für Susannes Wohlergehen, und normalerweise informiert sie mich auch immer ausführlich über ihr Beziehungsgeflecht, wenn wir das einmal so nennen wollen. Aber dieses, zugegeben sehr attraktive männliche Wesen ist mir bisher nicht zu Augen und zu Ohren gekommen.« Dieter schien ein wenig gekränkt, dass er noch nicht über die neuesten Entwicklungen von Susannes Liebesleben ins Vertrauen gezogen worden war.
»Das ist Ludwig. Er ist angehender Kunsterzieher. Und Susanne konnte dich kaum früher informieren, denn sie hat ihn erst gestern Abend im Museum kennen gelernt und es hat offensichtlich gleich gefunkt. Soweit ich ihn bisher erlebt habe, ist er ein netter Kerl. Vor allem versteht er was vom Kochen und Essen.«
»Du meinst also, dann kann er kein ganz schlechter Mensch sein?«
»Ganz genau. Und jetzt beenden wir das Thema besser, denn Viola nähert sich mit großen Ohren und ich muss in die Küche.«
Helene hatte längst die Blicke bemerkt, die Viola und einige andere, vor allem weibliche Gäste, in Richtung Ludwig hatten schweifen lassen. Es war nett anzusehen, wie aufgekratzt die nicht mehr ganz taufrischen Damen sich plötzlich gaben, wie sie in besonders geistreichen oder aber besonders zweideutigen Bemerkungen wetteiferten, und dann viel zu laut lachten. Der Anblick des knackigen, jungen Bayern versetzte ihre Hormone offensichtlich in Aufruhr. Selbst Hedwig und Dagmar, die sonst unterkühlte Zurückhaltung pflegten und nur selten mit sprachlich geschliffenen, schwer zu enträtselnden Sätzen am allgemeinen Gespräch teilnahmen, versuchten witzig zu sein und lachten!
Auch Hedwig und Dagmar gehörten zu der ehrbaren Zunft der Lehrerinnen, was sie aber so gut wie möglich zu verbergen suchten. Natürlich unterrichteten sie am Gymnasium. Ihre Leidenschaft galt der Literatur, und da der Deutschunterricht ihren diesbezüglichen Ambitionen in keinster Weise gerecht werden konnte, versammelten sie schon seit Jahren in ihrer Freizeit einen Zirkel Gleichgesinnter um sich. Nur ausgewählte Feingeister wurden persönlich dazu geladen. Susanne war eine Zeit lang wohlgelitten, Helene war die Ehre noch nie zuteilgeworden, und die Ehemänner von Hedwig und Dagmar waren irgendwann auch auf der Strecke geblieben.
Erkennbar – jedenfalls für die wissenden Augen einer Frau – verwandten die beiden sehr viel Zeit, ihr Äußeres für Auftritte in der Öffentlichkeit zu präparieren. Dank eines perfekten Make-ups konnte man ihren Teint nur als samten bezeichnen. Die Haare – zum Bubikopf beziehungsweise zum lockeren Knoten frisiert – sahen weich und glänzend aus, und Lippenstift und Nagellack, in dezenter Farbwahl selbstverständlich, passten haargenau zur jeweiligen Garderobe. Diese wiederum war erlesen, aber schlicht. Helene wettete, beider Figuren mussten das Ergebnis absoluter Selbstdisziplin bis zur Kasteiung sein. Hedwig, groß und schlank, bevorzugte Hosenanzüge, und Dagmar, kleiner aber nicht weniger schlank, trug meist Etuikleider mit einem kurzen Jäckchen darüber. Dunkle Erdfarben wurden bevorzugt. Alles in uni, nur keine Muster, nichts Lautes, Vulgäres. Erlaubt waren für Hedwig, als nicht wegzudenkendes Accessoire, lediglich golfballgroße Glas- oder Keramikperlen um den Hals, während Dagmar handtellergroßen Ohrgehängen den Vorzug gab.
So wirkten sie denn in ihrer hochgezüchteten Extravaganz eher beeindruckend statt anziehend und waren in männlicher Begleitung nur selten zu sehen. Es stellte sich natürlich die Frage, ob dieser Effekt beabsichtigt war. Umso mehr stellte sich die Frage jetzt, da der virile Ludwig im Raum war, und sie plötzlich begannen, sich wie die pubertierenden Gänse zu benehmen, die sie gezwungen waren, in ihrem Brotberuf zu unterrichten. Erleichtert, nicht auf dieser Piste der Eitelkeiten mittanzen zu müssen, begab sich Helene in die Küche, denn nun sollte es endlich mit dem Geburtstagsessen losgehen.
Ludwig, der Aufmerksame, folgte ihr sogleich und bot seine Hilfe an, und so drückte ihm Helene das bereitgestellte Tablett in die Hand. Dann schöpfte sie von der dampfenden Suppe, die ein umwerfendes Aroma verströmte, in die irdenen, braun-blau glasierten Tassen, gab auf jede Portion einen Klecks geschlagener Sahne und hieß ihn auftragen. Da die Augen der übrigen Anwesenden den jungen Mann
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