Schatz, schmeckts dir nicht
wirklich eine Ehre, Ihnen behilflich zu sein. Ich habe mich noch nicht vorgestellt: Tenstedt, Gerold Tenstedt mein Name.«
Helene stellte sich auch noch einmal vor, auch wenn ihr klar war, dass ihr Name am heutigen Abend schon einige Male genannt worden war, und wies ihn an, den Salat zu Tisch zu bringen. Normalerweise war ihr unangeforderte Hilfe bei einem Festmahl eher unangenehm, doch sie wollte ihren neu gewonnenen Bewunderer nicht vor den Kopf stoßen. Er würde noch früh genug merken, dass sie nicht zu den, ihm von Susanne in Aussicht gestellten, Singles gehörte.
Helene nahm die Folie von den beiden Platten, auf denen das sauer eingelegte Gänsefleisch angerichtet war. Es duftete pikant süß-säuerlich, sodass einem das Wasser im Munde zusammenfloss. Sie hatte mit sich gerungen, ob sie in Hinblick auf Jans neue Eßgewohnheiten bei der Zusammenstellung von Susannes Geburtstagsmenu auf fleischliche Kost verzichten sollte. Doch schließlich war es ihr übertrieben erschienen. Es war Susannes Geburtstag und Jan, soweit ihr bekannt war, der einzige Vegetarier, der eingeladen war. Er würde sich auch satt essen können, wenn er sich auf Suppe, Käse und Nachtisch beschränkte. Sein bisheriges Fehlen an der Festtafel bestätigte die Richtigkeit ihrer Entscheidung.
Gerold, ihr eifriger Helfer, trug die beiden Fleischplatten zu Tisch und Helene füllte die mittlerweile knusprig gebräunten Bratkartoffeln in zwei große Schüsseln. Die Türklingel schlug an und Susanne eilte, dem noch fehlenden Gast zu öffnen. Helene forderte die Übrigen auf, sich schon zu bedienen, damit die Bratkartoffeln nicht kalt würden. Für Jan würde sie sowieso extra sorgen müssen, wenn auch so unauffällig wie möglich, um das leidige Vegetarierthema an diesem Abend ruhen zu lassen.
Zwölf Gästen bot die Tafel Platz, für zwölf Personen gab es ein Service, auch wenn es sich in diesem Fall nicht um zwölf goldene Teller handelte. Da kam die böse Fee herein, Fee herein, Fee herein … Der Vers aus dem alten Kinderlied zog in Helenes Kopf eine Endlosschleife, als sie Diane vor Jan in den Raum kommen sah.
Anders als im Märchen, verließ die Uneingeladene aber nicht fluchend die Tischgesellschaft, sondern es wurde alles aufgeboten, um auch der 13. Person einen angemessenen Platz bei Tische zu schaffen. Nachdem Susanne Diane und Jan allen vorgestellt hatte, die sie noch nicht kannten, rückte man enger zusammen, stellte für Diane ein komplettes Gedeck eines anderen Services hin, Gläser, Besteck, dass es ihr an nichts fehlen möge. Eigentlich wollte sie, ja brauchte sie nichts mehr zu essen, wehrte sie lächelnd ab. Eigentlich hatte sie gar nicht mitkommen wollen, da sie ja nicht eingeladen war.
»Doch heute hatten wir einen schlimmen Tag im Büro! Nichts wollte klappen, alle waren gereizt. Bad vibrations. Wahrscheinlich die ungünstigen Auswirkungen des Neumonds. Und da meinte Jan«, Diane drückte dabei dankbar die auf dem Tisch ruhende Hand des Genannten, der praktischerweise neben ihr saß, »er war der Meinung, ich dürfte keinesfalls allein nach Hause gehen heute Abend, sondern müsse unbedingt unter nette Menschen kommen. Ich war so frei, seinen Vorschlag anzunehmen und ihn hierher zu begleiten, und ich spüre schon, es war ein guter Vorschlag!«
Keine Spur von Verlegenheit. Ihre kastanienrote Haarpracht flog schwungvoll in den Nacken und sie ließ ihr kräftiges Lachen ertönen. Jan freute sich mit ihr und Diane warf diese selbstgefälligen, forschenden Blicke in die Runde, die Helene so anwiderten.
Unter anderen Umständen wäre Susanne über Jans Eigenmächtigkeit sicherlich stark indigniert gewesen und hätte das den ungebetenen Gast auf ihre unnachahmlich dezente Art auch spüren lassen. Heute jedoch wollte sie sich durch nichts und niemand von Wolke sieben herunterholen lassen und beeilte sich, Diane zu versichern, wie sehr sie sich über ihr überraschendes Auftauchen freue und dass Jan genau das Richtige getan habe.
In Helene tobten Stürme der Entrüstung. Alle Seuchen dieser Erde wünschte sie dieser Person an den Hals. So viel Bosheit wie sie in diesem Moment gebraucht hätte, um Diane damit zu treffen, existierte überhaupt nicht. Diese Unverfrorenheit, einfach in ihren Freundeskreis einzudringen! Es war so demütigend! Und das Allerschlimmste: Jan war gänzlich im Banne dieser Frau. Er war auf dem besten Wege, seine Beziehung zu zerstören, und er gab vor, das gar nicht zu bemerken. Und hätte sie ihm ihre
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