Schatz, schmeckts dir nicht
spielten Kinder Federball.
»Mit welchen finsteren Mächten bist du eigentlich im Bunde, Helene, dass du heute dieses göttliche Wetter hingekriegt hast? Hallo, meine Liebe!«
Küsschen rechts, Küsschen links, Dorotheas dezentes Parfumwölkchen hüllte sie einen kurzen Moment ein und sie durfte die gepflegte Glätte ihrer immer kühlen Wangen zumindest ahnen.
»Ich sage nur: Meteorologie! Und außerdem wusste ich ganz einfach, dass der erste Mai ein strahlend schöner Tag würde, vor allem, wenn wir uns zum Picknick treffen. Schön, dich zu sehen, Dorothea!«
Wie immer beeindruckte Dorothea mit ihrer perfekt gestylten Erscheinung. Sie trug, was man bei ihr nicht unbedingt vermutet hätte, eine stinknormale Jeans, nicht etwa so ein Designermodell, dazu eine sandfarbene, leinene Hemdbluse und sandfarbene Slipper, und hatte schlichten, dafür wahrscheinlich um so teureren Goldschmuck angelegt. Ein breites Seidentuch in passenden Farben hielt ganz locker ihr glänzendes, akkurat gelegtes Blondhaar zurück. Ganz locker – bei Helene pflegten diese Tücher ständig zu verrutschen, sodass sie nervös daran herumzuppelte oder aber wie die letzte Marktfrau aussah. Die Mischung aus Eleganz und Lässigkeit, von keinem zu viel, genau auf den Punkt gebracht, passend zum jeweiligen Anlass, schien Dorothea einfach angeboren zu sein.
Doch auch Helene fühlte sich heute mit ihrem sportlichen Hemdblusenkleid in einem etwas abgemilderten Kiwigrün und den hellen Stoffturnschuhen ausgesprochen wohl.
»Grüß dich, Helene! Schon sehen wir uns wieder, aber diesmal bei strahlendem Sonnenschein und mit strahlender Miene. Schön, du scheinst heute so ganz in deiner Mitte.«
Unter Dianes freundlich prüfendem Blick mühte sich Helene nach Kräften, nicht in spöttisches Gelächter auszubrechen, und antwortete stattdessen: »Es ist ja auch ein wunderschöner Tag. Alles so, wie ich es mir vorgestellt habe.« Und sie erwiderte, so gut sie konnte, Dianes kräftige Umarmung.
So wie Dorothea es verstand, zu jeder Gelegenheit perfekt gestylt zu sein, so schien es Dianes Bestreben, ihre vollkommene Unabhängigkeit von jeglicher Modeströmung zu beweisen. Immer wirkte sie irgendwie besonders. Was Helene allerdings nicht für eine natürliche Gabe, sondern ganz profanes Kalkül hielt.
Ihre Haarfülle hatte Diane zu einem dicken Zopf zusammengefasst, in den sie bunte Bänder geflochten hatte. Sie trug eine weiße, bäuerliche Bluse mit roter Stickerei und dazu einen Samtrock, den Helene schon einmal gesehen zu haben meinte. Das musste auch so sein, denn angeblich zog sie ja nur mit der einen Kiste von Wohnung zu Wohnung. Wenn das also stimmte, dann wusste sie aus ihrem kleinen Fundus immer wieder überraschend phantasievoll zu kombinieren. Als besonderes Accessoire hing ihr, von weißen Bindebändern gehalten, ein Florentiner Hut auf den Rücken, der üppig mit diesen künstlichen Kirschen garniert war, die so appetitlich knackig leuchteten. Bei einer anderen Person hätte diese Kostümierung vielleicht kitschig oder antiquiert gewirkt. Bei Diane sah es einfach toll aus, musste Helene zugeben.
Sie stellte den Korb mit den Sandwichdosen an den Stamm eines der Bäume und machte sich daran, die übrige Runde zu begrüßen, während sie nebenbei Peer und Janina anwies, die restlichen Schätze aus dem Auto zu holen.
»Tobi, Nelli und Karli können euch ja dabei helfen«, rief sie aufmunternd in Richtung der drei Sprösslinge von Ulli und Bobby. Sie erzielte damit null Wirkung. Erst als Bobby mit energischem Ton noch einmal »Tobi, Nelli, Karli!« rief, setzten sie sich langsam in Bewegung und latschten in die Richtung, in die Janina und Peer verschwunden waren.
Ulli, Bobby, Tobi, Nelli, Karli – Jan, die Kinder und sie selbst hatten schon bald nur noch von der i-Familie gesprochen, was Janina und Peer mit großer Wollust in ›Igittigitt – Familie‹ verwandelt hatten. Sie konnten die i-Kinder, mit denen sie früher immer spielen sollten, weil beider Eltern das so ideal fanden – die Väter Partner, die Kinder auch – partout nicht leiden, und diese Abneigung beruhte offensichtlich auf Gegenseitigkeit. Schließlich musste sich Helene eingestehen, dass sie selbst nicht gerade Sympathie für die Sprösslinge von Jans Partner empfinden konnte. Auch sie fand die drei, in ihrer mauligen, mürrischen und manchmal hinterlistigen Art, ziemlich abscheulich.
Als ob das traumhafte Wetter ihr ganz persönliches Verdienst wäre, erntete Helene
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