Schatz, schmeckts dir nicht
nun war ein Statement der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und barg nicht den geringsten Wahrheitsgehalt. Das konnte Helene auch.
»Ich freu mich auch. Bis übermorgen. Ciao, Dorothea!«
Sie wandte sich wieder ihrer unterbrochenen Beschäftigung zu, denn sie hatte gerade ein nach amerikanischem Rezept bereitetes, spezielles Sandwichbrot aus Vollweizenmehl im Ofen. Es war eine Lust, zu sehen, wie der Teig in der Kastenform stieg und stieg, und sich die Oberfläche langsam goldbraun tönte, während der leicht süßliche Duft nach Hefe die ganze Küche zu erfüllen begann. Als die vorgeschriebene Backzeit beendet war, klopfte Helene mit den Fingerknöcheln leicht auf das Gebäck, und das trockene, hohl klingende Geräusch sagte ihr, dass das Brot trefflich gelungen war. Voller Freude holte sie ihr Werk aus dem Ofen. Es glitt mit Leichtigkeit aus der Form, und sie begutachtete es mit dem Stolz einer Künstlerin. Sie erinnerte sich der Hochachtung, mit der andere vom Hefeteig sprachen, an den sie sich selten wagten, da er sich manchmal sehr launisch zeigte und nicht so ging, wie er sollte. Doch wo war das Problem?
Die Vorbereitungen für das Picknick versetzten sie in die angenehme Euphorie, die sie immer empfand, wenn es galt, für ein Publikum zu kochen, und alles sich nach ihren Plänen prächtig entwickelte.
»Heute back ich, morgen brau ich – übermorgen hol ich der Königin ihr Kind – mmh«, summte sie fröhlich vor sich hin, voll ungeduldiger Erwartung, was dieser Tag an Veränderung bringen würde.
»Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß …«
Das skandinavische Hoch hatte den Kampf gegen das Böse gewonnen, und als sich Helene am ersten Mai in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett schwang, da sie vor Ungeduld einfach nicht mehr schlafen konnte, war kein Wölkchen mehr am Himmel zu entdecken und die Sonne bereits fleißig am Strahlen.
Es war auch nötig, dass sie früh aufstand, denn sie hatte sich, wie sollte es auch anders sein, viel vorgenommen. Am Vortag hatte sie schon die Spinatblätterteigpastete mit Schafskäse und einen Berg Buletten bereitet – Letztere vor allem für die Kinder, besonders Ullis Jüngsten, dessen Kommen leider unvermeidlich war, und der wieder entsetzlich nerven würde. Außerdem standen schon eine Himbeerquarkcreme und eine Rhabarbertarte im Kühlschrank. Jetzt hatte sie noch die Ingredienzien für eine bunte Rohkostschale zu schnippeln. Der Dip dazu war auch schon fertig. Schließlich musste sie die vorbereiteten Kartoffeln mit fein geschnittenen Zwiebeln und Äpfeln und einer Sahne-Mayonnaise-Soße zu ihrem traditionellen Kartoffelsalat verarbeiten.
Der Clou dieses Picknicks aber war – und mit dieser Idee würde sie sicherlich wieder viel Bewunderung ernten – jeder Teilnehmer erhielt sein ganz persönliches Sandwich! In einer kleinen Dose mit Namensschildchen und aufgeklebtem Schoko-Maikäfer. Da gab es Kombinationen mit Fleisch und Käse, Fisch und Ei, oder Fleisch mit Gemüse oder Fisch pur und, speziell für Diane, das rein vegetarische Sandwich.
Helene arbeitete schnell und effizient, hatte sämtliche benötigte Zutaten in Reichweite um ihr großes Schneidebrett aufgebaut und genoss den reibungslosen Fortgang der Arbeit – Ergebnis ihrer genialen Organisation. Neben Phantasie und Kreativität war perfekte Organisation das Geheimnis ihrer Kochkunst. Und natürlich Mut. Der Mut, sich über Rezeptvorschriften hinwegzusetzen und lieber dem eigenen Geschmacksempfinden zu vertrauen. Einfach Dinge auszuprobieren. Wissenschaftliche Akribie bei der Forschung nach Rezepten. Nicht nur ein Kochbuch in die Hand zu nehmen, sondern das gleiche Rezept im Internet zu recherchieren, in fünf Kochbüchern nachzulesen und dann zu kombinieren und herauszufiltern, was denn nun die wichtige Gemeinsamkeit war. Ach ja. Was wussten die anderen schon von diesem Kosmos des Geschmacks, der Gerüche, der Farben und der Konsistenzen!
Durch die Terrassentür drang das kraftvolle Gezwitscher einer Amsel und riss sie aus ihren Überlegungen.
»Hast ja recht, Vogel. Ich hör schon auf zu spinnen! So ein Picknick ist wirklich nicht die hohe Kochkunst.«
Der Vogel sang sich weiter die Seele aus dem Leib. Wahrscheinlich war das sein Ausdruck der Freude über den strahlenden Tagesbeginn. Der Frühling hatte jetzt endlich mit Macht Einzug gehalten. Die kerzenförmigen Blüten der alten Kastanie im Hinterhof waren in wenigen Tagen förmlich explodiert und
Weitere Kostenlose Bücher