Schatz, schmeckts dir nicht
von allen Seiten Lob und Bewunderung für diese ausgezeichnete Idee, sich hier und heute zum Picknick zu treffen. Man beschloss, mit dem Essen noch etwas zu warten, und je nach Lust und Laune legten sich einige träge in die Sonne oder unterhielten sich weiter im Rund der Decken und Stühle. Bobby, der Geduldige, versuchte, die gelangweilt bis genervt dreinblickenden jungen Leute zu einem Fußballspiel zu motivieren. Helene hatte das Vergnügen, mit Ulli über ihr Dauerthema Diät plaudern zu dürfen, und sah nebenbei mit Missbehagen, dass Jan und Diane, ins Gespräch vertieft, sich auf einem Seitenweg in Richtung Rosengarten von der Gruppe entfernten.
Ulli, quasi in der Luft schwebend, da das winzige Klappstühlchen, auf dem sie saß, unter ihren Ausmaßen verschwand, glich in ihrem großgeblümten Kleid einem gigantischen Rhododendron in Grün-Lila. Und sie hatte ein neues Thema: Die fettfreie Küche. Sie hatte die Erkenntnis der Ernährungswissenschaft für sich entdeckt, dass es nicht so sehr auf den Kalorienverzehr, sondern auf die Fettmenge ankomme, wenn man sein Körpergewicht reduzieren wolle. Das war im Prinzip natürlich richtig. Allerdings zweifelte Helene am Erfolg, wenn sie hörte, dass Ulli jetzt von allem – außer Fett! – so viel essen konnte, wie sie wollte und trotzdem dabei abnehmen würde. Ulli würde es schaffen, sogar von Obst und Gemüse zuzunehmen, bei den Mengen, die sie verschlang!
»Salatdressings bereite ich jetzt mit Gemüsebrühe und Essig, das spart eine Menge Fett, du glaubst es kaum! Olivenöl ist zwar gesund und es schmeckt natürlich auch, aber es ist das reine Fett! Ich ersetze Sahne für Soßen durch Kaffeesahne, light natürlich! Und das schmeckt genauso gut wie mit diesen fetten Sahnesaucen«, dozierte Ulli voller Abscheu.
»Und das Beste ist: Ich kann so viel von den Nudeln essen, bis ich satt bin! Oder Brot, oder Reis oder Salzstangen, Gummibärchen, Reiswaffeln – praktisch alles fettfrei. Ist das nicht toll? Bei allen anderen Diäten läufst du ja den ganzen Tag wie ein hungriges Tier im Käfig herum. Und diese lästige Kalorienzählerei fällt auch weg!«
»Ja, aber dafür musst du doch die Fettmenge wiegen«, wagte Helene einzuwerfen.
»Kein Problem! Das hast du schnell drauf. 30 Gramm pro Tag darfst du essen«, wischte Ulli diesen Gedanken vom Tisch.
Sie brachte ihre Botschaft mit so viel Engagement bei Helene vor, als ob dieser eine derartige Diät auch wohl anstände. Einmal hatte Helene den Fehler gemacht, als sie zwei, drei Kilo von ihrem persönlichen Wunschgewicht trennten, mit Ulli über die Schwierigkeiten des Abspeckens zu reden. Seitdem versuchte Ulli immer wieder, sie wie eine Leidensgenossin im Kampf gegen die Pfunde zu behandeln.
»Nun, ich hoffe, du kommst bei unserem Picknick auf deine Kosten – ich habe natürlich nicht jedes Gramm Fett gezählt.«
»Ach weißt du, so streng sehe ich das nun auch wieder nicht. Man muss auch mal eine Ausnahme machen dürfen. Vor allem, wenn du für die Bewirtung zuständig bist!«
»Danke für die Vorschusslorbeeren! Ich denke, ich bereite jetzt mal alles für das Essen vor.«
»Soll ich dir helfen?«, fragte Ulli sofort, von der Helene wusste, dass sie bestimmt lieber auf ihrem Stühlchen sitzen blieb.
»Brauchst du Hilfe?«, war auch Dorothea von ihrem Plätzchen in der Sonne zu vernehmen. Auch Maike und Linus boten bereitwillig ihre Mitarbeit an.
»Danke. Ich schaff das schon.«
Um Gottes Willen, das fehlte Helene noch! Eine Menge Dilettanten, die ihr beim Arrangieren von Speisen, Geschirr und Accessoires ins bereits fertige Konzept funken wollten! Gerade mal hatte sie das Zugeständnis gemacht, dass jeder eine Thermoskanne Kaffee oder Tee, je nach Gusto, mitbrachte. Joachim hatte sie gnädig die Erlaubnis gegeben, ein paar Flaschen seines toskanischen Lieblingsrotweines – einen Ornellaia – beizusteuern. Alles andere hatte sie selbst besorgt und würde die Kosten dafür mit dem Büro abrechnen.
Die große Wachstuchdecke mit dem kleinen blauen Karo bildete den idealen Hintergrund für die darauf angerichteten Speisen in den rustikalen, irdenen Schüsseln und Platten. Ganz in der Mitte thronten die Süßspeisen, Himbeerquarkcreme und Rhabarbertarte sowie ein prallgefüllter Obstkorb und eine Schüssel leuchtend roter Erdbeeren. Da herum hatte Helene die Platte mit den kleinen Buletten, die große Schüssel mit Kartoffelsalat und die Form mit der Spinatblätterteigpastete gruppiert. Alles
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