Schatz, schmeckts dir nicht
war fein mit Petersiliensträußchen oder Kerbelblättchen, mit Cornichons oder Frühlingszwiebeln, Radieschen oder Tomätchen garniert. Auch die Schale mit rohen Gemüsen, die mundfertig gewaschen und geputzt waren, wie Paprika- und Möhrenstreifen, Fenchel- und Gurkenscheiben sowie kleinen Strauchtomaten, und ein Brett mit jeweils einem riesigen Stück Emmentaler, Brie und Blauschimmelkäse standen zum Verzehr bereit. Natürlich fehlten auch nicht eine Dose mit goldgelber Butter und ein Korb mit Vollkornbrot und Stangenweißbrot.
Zufrieden kniete Helene vor ihrem Werk. Jetzt fehlten nur noch Geschirr und Besteck und Servietten. Klatsch! Völlig unvorbereitet traf sie der Fußball in den Rücken und sie kippte vornüber in Richtung Käsebrett und Himbeerquark. Ihre schnelle Reaktion bewahrte sie davor, sich völlig hineinzulegen, weil sie den Schwung mit einer Hand in der Rohkostschale abfangen konnte. Wütend fuhr sie herum und sah Tobi, mit elf Jahren der Jüngste der i-Familie, auf sich zurennen. Natürlich! Ohne seine Schadenfreude über dieses gelungene Attentat zu verbergen, rief er schon von Weitem:
»Ich war’s nicht! Ich war’s nicht! Bobby war’s!«
Tatsächlich winkte Bobby im Hintergrund und verbarg, den zutiefst Schuldbewussten mimend, sein Gesicht zwischen den Händen. Sie bemühte sich um eine unverkrampft fröhliche Miene und warf den Ball zurück.
»Na warte, Bobby! Du kriegst keinen Nachtisch!«
»Aber ich hab’s doch nicht mit Absicht gemacht, allerliebste Helene!«, beteuerte er mit kindlicher Inbrunst. Helene glaubte ihm sogar, wenn sie ihn jetzt wieder ziemlich ungeschickt mit dem Ball über den Rasen laufen sah. Sie verteilte die noch fehlenden Sachen auf der Picknickdecke. Viel ärgerlicher als diesen Ball im Rücken, fand sie ohnehin die Tatsache, dass Jan und Diane nach wie vor nicht von ihrem Spaziergang zurück waren.
Was fehlte noch auf dem gedeckten Tisch? Salz und Pfeffer, der Korkenzieher, der Zucker, die Milch. Dieses ganze Zubehör, wie auch Tortenheber, Salatbesteck und Käsemesser nicht zu vergessen, die niedlichen Millefleurs-Servietten, die sie in einem Geschenkelädchen entdeckt und sofort für dieses Picknick erworben hatte, wo hatte sie das alles hingepackt? Richtig – die Tüte auf dem Korb mit den Sandwichdosen. Und wo war dieser ziemlich wichtige Korb geblieben? Die Sandwiches wollte sie erst verteilen, wenn alle um die Tafel versammelt waren. Sie hatte ihn in den Schatten unter den Bäumen gestellt.
Das durfte doch nicht wahr sein!
Mit drei Schritten war sie bei Tobi, diesem kleinen, auch schon übergewichtigen Monster, der gerade dabei war, die erste Dose zu öffnen und auf ihren Inhalt zu untersuchen. Als er Helenes giftigen Blick sah, zog er den Kopf ein und jammerte weinerlich.
»Ich hab so einen Hunger! Kann ich davon was essen? Das sieht so lecker aus!«
»Nein. Kannst du nicht. Leg das sofort zurück. Du siehst nicht gerade unterernährt aus – die paar Minuten kannst sogar du noch warten.«
Tobi, diesen scharfen Ton nicht gewohnt, parierte sofort, legte die Dose zurück und verzog sich beleidigt zu seiner Mutter, der anzusehen war, dass auch sie mit seiner Behandlung nicht einverstanden war. Natürlich benahm man sich nicht so einem Kind gegenüber, das wusste auch Helene, doch erstens hätte wer weiß was passieren können, und zweitens hatte sie Tobis lästige Quengeleien schon viel zu oft widerspruchslos ertragen. Irgendwann reichte es. Und schließlich waren heute ihre Nerven schon genug beansprucht. Wo die beiden nur so lange blieben?
»Hunger! Hunger! Wann dürfen wir uns auf deine Köstlichkeiten stürzen, Helene?«, meldete sich Joachim von seinem Platz in der Sonne. »Es duftet gar zu köstlich!«
»Ich dachte, wir fangen an, wenn alle wieder da sind«, antwortete Helene möglichst gleichmütig. Die einzig Fehlenden waren ihr Mann und Diane.
»Also, wir Sportler haben uns jetzt auch eine kräftige Mahlzeit verdient, was Kinder?«
Bobby ließ sich erschöpft auf eine Decke neben seiner Frau fallen, und bis auf Tobi, der Coolsein noch nicht so richtig draufhatte, stierten die anderen vier wieder desinteressiert ins Leere.
»Seht, das Ende der Hungersnot ist nah! Da kommen ja unsere beiden Unermüdlichen. Also, wenn ich – nur mal so als gedankliche These – der Kopf vom Büro wäre, – was ich natürlich so nie für mich in Anspruch nähme, du verstehst, Joachim, – dann sind die beiden die Seele!«
»Sie sind das Herz und
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