Schatz, schmeckts dir nicht
leuchteten wunderschön in Weiß und Rosa. Auch auf Helenes Dachgarten war ein einziges Grünen und Blühen. Die riesigen Agaven fühlten sich im Freien sichtlich wohl und breiteten ihre stacheligen Arme weit nach allen Seiten aus, sogar der Oleander hatte schon pralle Knospen angelegt.
Vor Helene stapelten sich fast alle Sandwiches, es fehlte nur noch die spezielle Kombination für Diane. Zum Glück hatte sie reichlich leere Quarkdosen gesammelt und konnte die nun als Brotschachteln für ihr Vorhaben verwenden. Sie sahen sogar recht dekorativ aus. Als alle Sandwiches verpackt waren und die Dosen beschriftet, wurde es Zeit, die Familie aus dem Bett zu schmeißen und sich auf den Weg in Berlins großzügigen Park mitten in der Stadt zu machen.
Es war ein herrlicher Tag und Helene hatte beschlossen – trotz des unangenehmen Anlasses für dieses Treffen – die sommerliche Stimmung in vollen Zügen zu genießen. Sie liebte Picknicks! Den Henkelkorb mit den Sandwichdosen an einem Arm, eine große Wachstuchdecke unter dem anderen, schritt sie ihrer Familie voraus über die Spazierwege des Tiergartens. Ein leichter Wind umschmeichelte sie – die Luft war wie Samt und Seide, so wie sie nur um diese Jahreszeit sein konnte, wenn es noch nicht zu heiß war. Das frische Grün erquickte das Auge und die zarten Blüten verströmten einen leisen Duft.
Ungeduldig betrat Helene die Rasenfläche in der Nähe des Rosengartens, wo sie sich mit den anderen verabredet hatten. Hier hatten sie ihren traditionellen Picknickplatz, ungestört von den Rauchschwaden, die an einem Tag wie diesem über die Grillplätze im nördlichen Parkteil an der John-Foster-Dulles-Allee waberten.
Jan folgte ihr in kurzem Abstand, den großen Waschkorb mit dem Geschirr tragend, und die Kinder trotteten ohne große Begeisterung hinterher, Getränke und Decken schleppend. Beide hätten gerne noch länger geschlafen, und die Aussicht, sich mit den Kindern von Bobby und Ulli vergnügen zu müssen, die unwesentlich jünger als sie selbst waren und gerade deswegen ›absolut albern und einfach doof‹, stimmte sie nicht gerade fröhlicher. Nur die Zusage, sich zwei Stunden nach Beginn des Essens verziehen zu dürfen, hatte sie einigermaßen befriedet.
Helene hatte die Gruppe kaum ausgemacht, da kam auch schon Maike angelaufen.
»Hallo, hallo! Hier sind wir!«, machte sie überflüssigerweise laut auf sich aufmerksam. Heute war Maike die Motorradfahrerin. Sie trug eine hautenge Lederhose um die mageren Hüften und hatte sich trotz der frühsommerlichen Temperaturen auch der dazugehörigen Jacke mit langen Fransen nach Art einer Trappermontur noch nicht entledigt. Ihr spärlicher Haarschopf war inzwischen weißblond gefärbt und auf Zentimeterlänge geschoren. Wie apart, dachte Helene. Manche Menschen haben eine unübertroffene Begabung, sich zu entstellen.
»Morgen, Maike! Na, haben Sie Ihre schwere Maschine aus dem Winterschlaf erweckt?«
Jan! Liebevoll-mitleidig schaute Helene zu ihrem Mann. Wie immer hielt er sich gerne an Floskeln und Ritualen fest, wenn sich Kommunikation außerhalb der sicheren familiären oder beruflichen Domäne bewegte. Selbst der private Umgang mit jemandem wie Maike, an der ihn sonst nur ihre Computer- und Kopiererkenntnisse interessierten, war für ihn eine rhetorische Aufgabe. Um nicht gleich – wie sonst in diesem Falle – bei seinem Lieblingsthema Wetter zu landen, hatte er sich auf das Erste, was einem bei Maikes Anblick durch den Kopf gehen musste, gestürzt – und sich geradezu beispielhaft in den ausgelegten Fallstricken verfangen. Jetzt musste das arme Opfer die unweigerlich folgende, sicherlich wahnsinnig originelle Geschichte vom Erwachen von Maikes Motorrad aus dem Winterschlaf ertragen.
Komisch – nur bei Diane schien er nicht das geringste Kommunikationsproblem zu haben. Was mit Sicherheit nicht daran liegen konnte, dass die beiden nur fachliche Themen abhandelten. Aber jetzt fort mit diesen Gedanken, sie verdunkelten den Verstand und machten den Blick unscharf!
Helene nutzte die Gelegenheit, sich an Maike, dem wandelnden Monolog, mit einem kurzen Hallo vorbeizustehlen. Im Halbschatten der mächtigen, alten Parkbäume bot sich das Bild einer wahren Feiertagsidylle. Das Büro war mit seinem Anhang schon vollzählig versammelt, wie Helene mit einem Blick feststellte. Decken und Klappstühle bildeten einen Halbkreis, den sich leise unterhaltende Menschen in heller Sommergarderobe belebten, daneben
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