Schatz, schmeckts dir nicht
zurück.
Beim Abschied erhielt Helene noch einmal eine Fülle von Komplimenten und Dankeschöns für ihre Mühe und all die genossenen Köstlichkeiten, zum Teil unangemessen überschwänglich. Sie hatte den Eindruck, die anderen wollten um jeden Preis verhindern, dass sich bei ihr Schuldgefühle wegen Maikes Zustand einstellten. Diese Fürsorge rührte sie ein wenig, war aber überflüssig.
So hatten sie also Maike und Diane zu Dianes Häuschen gebracht und Maike ihres Mitgefühls und Diane ihrer Anerkennung für ihre spontane Hilfsbereitschaft versichert. Jan, der den Weg ja nur zu gut kannte, saß am Steuer. Nachdem ihre beiden Mitfahrerinnen den Wagen verlassen hatten, mit den besten Genesungswünschen versehen, redeten Jan und Helene nicht viel. Doch aus dem wenigen, was er sagte, gab Jan klar zu erkennen, dass auch er Helene nicht für Maikes Zustand verantwortlich machte, von weitergehenden Verdächtigungen ganz zu schweigen. Wenn sie es auch nicht anders erwartet hatte, fand sie das doch beruhigend.
Weniger beruhigend war die Tatsache, dass das aufwendige Rezept aus ihrem Kräuterbüchlein nicht annähernd die darin beschriebene Wirkung erzielt hatte. Andererseits konnte sie dafür auch dankbar sein, denn wenn Maike das Zeitliche gesegnet hätte, wer weiß, welche unangenehmen Folgen das für ihre Person hätte haben können. Auch nicht zu verachten war die Tatsache, dass Maike ihr zu einem, wenn auch unfreiwilligen Test am lebenden Objekt verholfen hatte, und sie nun wusste, dass sie auf wirksamere Mittel zu sinnen hatte.
Nun ja, auch Schneewittchens Stiefmutter bastelte lange, um ein befriedigendes Ergebnis zu erhalten, obwohl sie bestimmt ihr Handwerk aus dem FF verstand. Dass diese merkwürdigen Zwerge dazwischenfunken würden, konnte sie natürlich trotzdem nicht verhindern. Helene klappte mit einem Seufzer den in der Sonnenblende befindlichen Kosmetikspiegel herunter und blickte fragend hinein. Nachdem ihr Plan wieder einmal versagt hatte, musste es nun Schlag auf Schlag gehen, denn im Juni drohte Lanzarote und wer weiß, was dort passieren würde. Spieglein, Spieglein – wie lange würde sie wohl noch auf die erhoffte Antwort warten müssen?
Kapitel IX
Ungehindert ließ der Frühling nun sein blaues Band durch die lauen Lüfte gleiten und auch in den Straßen Charlottenburgs begegnete man an manchen Ecken dem betörenden Duft blühender Fliederbüsche. In den Grünanlagen herrschte ein reges Treiben, und bis tief in die Nacht sammelte sich ein buntes Völkchen um die Restaurant- und Caféhaustische am Straßenrand. Redete, lachte, genoss das Leben unter freiem Himmel. Wonnemonat Mai.
Helene spürte nichts davon. Ihr persönlicher Horizont wurde von dunklen Wolken verdüstert. Ihren Mann bekam sie fast gar nicht mehr zu Gesicht. Ihn schien das nicht im Geringsten zu stören. Das war das, was sie am härtesten traf. Er war entspannt, zufrieden, ja er blühte direkt auf, je mehr ihn sein »Projekt« vereinnahmte. Und das gab ihrem Misstrauen nur umso mehr Nahrung, ob er damit wirklich ausschließlich berufliche Interessen verband. Er benahm sich so aufmerksam wie immer, sofern das Wort »Aufmerksamkeit« sein gleich bleibend freundlich-objektives Verhalten ihr gegenüber richtig beschrieb. Hatte er früher nicht mehr Interesse an ihr und ihren Problemen an den Tag gelegt? Auf ihre hin und wieder mit Bedacht formulierten Fragen nach Zeit, Ort und Zweck von Zusammenkünften mit Diane, erhielt sie belanglose, wenig aussagefähige Antworten, die ihre Zweifel nicht zerstreuen konnten. War das die Wahrheit, die sie so brennend interessierte, oder entsprangen diese Antworten jener männlichen Form von Aufrichtigkeit, die alles, was den Beziehungsfrieden stören konnte, der Einfachheit halber ausblendete? Helene ging durch ihre persönliche Hölle.
Eine andere Form von Hölle war die Arbeit am Premierenbüffet für das »Kunststück«, denn der Berserker, wie der Intendant seinen Regisseur Wittgenschläger bezeichnet hatte, war nicht bereit, anzuerkennen, dass die Gestaltung des Büffets in Helenes Verantwortung lag und er höchstens ein Mitspracherecht hatte. Er berauschte sich an der Idee, echte Currywurstbuden mit ihrem Originalangebot an Buletten, Currywurst und Pommes ins Foyer zu stellen, um damit die kunstbeflissenen Theaterbesucher zu schockieren.
»Siehst du denn nicht die dahinter stehende aufklärerische Absicht? Genau dieses Publikum, das sich auf der Bühne in Lachs und Kaviar suhlt,
Weitere Kostenlose Bücher