Schatz, schmeckts dir nicht
nahm sie noch ein paar Lammfilets aus dem Tiefkühler. Die würde sie Jan am Abend mit einer leichten Estragonsauce, besonders zarten grünen Bohnen und in Butter geschwenkten Kartoffelscheiben servieren. Es war eine seiner bevorzugten Speisen. Dazu einen Mouton Rothschild und zum Dessert etwas Obst und Käse – dann würde ihr Angetrauter wieder zu schätzen wissen, was er zuhause hatte! Sie sah zur Uhr. Jetzt musste sie sich aber sputen, wenn sie Jan noch rechtzeitig in Tegel in Empfang nehmen wollte. Er hatte ihr Angebot, ihn am Sonntag abzuholen, zwar abgewehrt und wollte mit Hinweis auf Parkplatzsuche und Umständlichkeit einfach mit dem Taxi nach Hause kommen. Aber Helene wollte sich die Inszenierung eines Wiedersehens in der Atmosphäre des Kommens und Gehens am Flughafen nicht nehmen lassen, auch wenn sie sich nur knapp drei Tage nicht gesehen hatten. Sie fand das romantisch, Jan nannte es sentimental.
Natürlich hatte sie einige Kreise drehen müssen, und sich noch mit einem rücksichtslosen Taxifahrer gestritten, der ohne zu blinken plötzlich vor ihr ausscherte, bevor sie schließlich einen Parkplatz auf dem Kurzparkdeck ergatterte. Als sie in das angegebene Terminal hastete, zeigten die Infotafeln an, dass die Maschine aus Düsseldorf bereits vor über zehn Minuten gelandet war. Sie sah sich suchend um und erblickte Jan hinter den sich hin und her schiebenden Leuten noch vor dem Flugsteig stehend. Ihm gegenüber eine große, kräftige Person – weiblich, wallendes, kastanienbraunes Haar, gekleidet in einen burgunderroten Samtmantel, sehr ausgefallen und sehr auffallend, neben sich eine Aktentasche und eine knautschige Reisetasche aus Leder, in Form eines überdimensionalen Hebammenkoffers. Augenscheinlich war sie gerade dabei, sich zu verabschieden. Mit ihrer Rechten drückte sie Jans rechte Hand, während sie ihm ihre Linke noch zusätzlich auf den Arm legte. Dabei hatte sie ihr Gesicht fest auf das seine geheftet und redete mit ihm, während er ebenso bestimmt wie bedächtig dazu nickte.
Helene ärgerte sich tierisch, dass sie noch zu weit entfernt war, um etwas von ihren Worten verstehen zu können, und drängelte sich energisch vorwärts. Wer war das? Doch da hatte die Frau auch schon ihr Gepäck an sich genommen und strebte in einiger Entfernung an Helene vorbei dem Ausgang entgegen, sodass diese sie in dem Gewusel von Leuten leider nicht genauer identifizieren konnte.
Als Helene endlich bei Jan anlangte, wollte auch der sich gerade mit seinem Gepäck in Richtung Taxenstand auf den Weg machen. Fühlte er sich irgendwie ertappt? Nein, beruhigte sich Helene, er hatte nur nicht mehr erwartet, dass ich ihn doch noch abholen komme.
»Helene! Konntest du dich doch nicht beherrschen, mich nach so langer Zeit der Trennung persönlich in Empfang zu nehmen?«, begrüßte er sie halb tadelnd, halb erfreut.
»So ist es, mein Liebster«, antwortete sie und drückte ihm links und rechts einen Kuss auf die Wange. Während sie sich in Richtung Parkdeck bewegten, musste Helene Genaueres erfahren.
»Na, hat mein Casanova im Flieger schon wieder ein Herz gebrochen?«
Diese Frage musste erst einmal geklärt werden, bevor sie durch allzu langen Aufschub an Wichtigkeit und auch Peinlichkeit gewinnen würde. Er schaute sie völlig irritiert an. »Welches Herz?«
»Jetzt spielt er wieder den Ahnungslosen«, frotzelte sie, »ich meine dieses samtgewandete Wesen mit dem Lockenhaar, das sich soeben von dir verabschiedete.«
»Ach so!« Das Erstaunen wich aus seinen Zügen und machte dem ihm eigenen, verklärt geschäftsmäßigen Gesichtsausdruck Platz, den er immer bekam, wenn er privat auf berufliche Themen angesprochen wurde.
»Das war eine Kollegin, die auch an dem Kongress teilgenommen hat, als Referentin. Ihr Fachgebiet ist biologisches Bauen. Sehr beeindruckende Persönlichkeit.«
»Und sie kommt auch von hier? In welchem Büro arbeitet sie denn?«, hakte Helene sogleich nach.
»Nein, sie besucht hier nur einen alten Freund, und wir haben uns zufällig im Flieger wieder getroffen. Zurzeit lebt sie in Hamburg. Es war wirklich außerordentlich interessant, mit ihr zu reden. Ich denke, ich werde übers Büro mal Kontakt zu ihr aufnehmen. An diesen Themen wie Energie sparendes Bauen, gesunde Materialien, dem ökologischen Aspekt eben, ich könnte da jetzt noch sehr weit ausholen, führt eben kein Weg vorbei. Denke nur an unsere Bewerbung für das Projekt Öko-City! Aber ich will dich nicht damit
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