Schatz, schmeckts dir nicht
gestrichen zu werden. Verdammt aufwendig das Ganze. Und wie brachte man jemanden zum Schweigen, der üble Gerüchte über einen in die Welt setzte? Dieses Rezept umfasste zwei Seiten und so exquisite Zutaten wie getrocknete Kröteneier, einen Krähenfuß und als Clou das noch warme Herz einer höchstens neun Tage alten Katze. Helene entschied, dass sie es besser nicht mit dem Tierschutzverein zu tun bekommen wollte, zumal der Erfolg keinesfalls garantiert war, und legte das Buch beiseite.
»Ganz schön aufwendig, was? Ich glaube, ich habe hier etwas Zeitgemäßeres für Sie.« Der Buchhändler war unbemerkt neben sie getreten. Er war ein ganzes Stück kleiner als sie. In seinem eleganten, silbergrauen Anzug und mit einer feschen, roten Fliege am Hals gab er sich ganz als kompetenter Berater, und überreichte ihr ein schmales Büchlein.
›Gegen alles ist ein Kraut gewachsen‹ las Helene auf dem Buchdeckel und die Unterzeile ›Wissenswertes über Gifte und Gegengifte aus dem Garten der Natur – mit vielen erprobten Rezepten‹.
»Dieses Kleinod stammt aus den 20er Jahren – eine wahrlich tolle Zeit damals, sage ich Ihnen! Ja, ja«, der alte Mann unterbrach sich und schaute versonnen vor sich hin.
»Verzeihen Sie meine nostalgischen Anwandlungen, meine Dame! Das Buch ist jedenfalls ein wahrer Leckerbissen für Kenner. Es hat schon so manchem Zeitgenossen aus einer misslichen Lage geholfen.« Er nickte Helene aufmunternd zu.
»Ich weiß, dass es das Richtige für Sie ist, dafür bin ich lange genug in diesem Geschäft. Ich würde es Ihnen für 30 Euro überlassen können, Verehrteste. Darf ich es Ihnen einpacken?«
»Ja, gerne. Es ist genau das, was ich gesucht habe.« Helene sagte dies, ohne es eigentlich sagen zu wollen. Und 30 Euro waren für dieses dünne Büchlein ganz schön happig, musste sie denken. Doch ihr eigener Wille schien irgendwie nicht zu funktionieren. Gütig lächelte der Buchhändler sie an.
»Sehen Sie, ich wusste, ich würde Ihnen helfen können.«
Sie bezahlte, nahm die Tüte mit dem Buch und ging zum Ausgang. »Auf Wiedersehen!«
»Auf Wiedersehen, meine Dame! Empfehlen Sie mich weiter!«
Erst als sie im Wagen, immer noch erstaunt über ihren spontanen Kauf, noch einmal einen Blick auf das Buch warf, entdeckte sie, dass der Verfasser ein G. Schabkowski war.
Zuhause angekommen, häufte Helene erst einmal alle ihre erworbenen Schätze auf den Küchentisch, und wie immer versetzte sie dieser Anblick einer Vielfalt von Zutaten, aus denen sie in ihrer Küche Köstliches zaubern würde, in eine angenehme Stimmung.
Das Kochen war immer schon ihre beste Medizin gegen Anflüge von Schwermut gewesen, und sie machte sich sofort daran, ein kleines Menu für den heutigen Abend zu planen. Sie wusste, dass Peer und Janina ausnahmsweise zum Essen da sein würden, und rief Jan im Büro an, um sicherzugehen, dass sich ihre Mühe lohnen und er auch erscheinen würde. Die Tatsache, dass erst einmal Diane am Apparat war, als sie zu Jan ins Büro durchgestellt wurde, schob sie tapfer beiseite, fest entschlossen, sich dadurch nicht die Laune verderben zu lassen. Nicht Diane sondern Liane müsste diese lästige Schlingpflanze heißen!
»Hallo Helene, guten Tag. Wie geht es denn so? Ich höre ja große Dinge über dich und das Theater!«
»Oh ja, hallo! Diese Theatergeschichte nimmt mich wirklich sehr in Anspruch, aber es macht auch viel Spaß. Mal was anderes.«
»Wann wird denn die Premiere sein? Irgendein Shakespeare war das doch?«
»Ja, es wird ›Viel Lärm um nichts‹ gespielt. Nächste Woche Freitag schon. Hoffentlich schaffe ich noch alles bis dahin. Es gibt noch so viel zu erledigen.«
»Da bin ich ganz zuversichtlich. Jan hat mir erzählt, dass du ausgezeichnete organisatorische Qualitäten hast. Ach, diese Premiere würde mich ja auch interessieren. Du hast Freikarten bekommen, hat Jan gesagt?«
»Ja, das stimmt. Dann komm doch einfach mit! Wenn ich gewusst hätte, dass du so ein Interesse daran hast, hätte ich dich natürlich längst gefragt.«
Er musste ihr aber auch alles erzählen! Und nun lässt sie mir gar keine andere Wahl, diese aufdringliche Klette.
»Das ist aber nett! Da freu ich mich riesig! Dann sehen wir beide uns auch mal wieder, das ist doch schön. Also, bis nächste Woche dann, Helene. Frohes Schaffen noch und vielen Dank für die Einladung!«
»Ja, gerne. Bis nächsten Freitag!«
Ich hätte drauf verzichten können. Es fiel Helene schon ein bisschen schwer,
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