Schatz, schmeckts dir nicht
warnende Stimme neben sich. »Vorsicht! Ich habe schon schlimme Dinge über meinen Nachbarn gehört. Er soll nicht gerade auf weiße Magie spezialisiert sein!«
Nach diesem, halb im Scherz, halb im Ernst gegebenen Ratschlag, eilte Elfriede mit dem Autoschlüssel winkend zu ihrem Wagen, scheinbar in wichtigen Geschäften, und fuhr davon. Ob schwarze oder weiße Magie war Helene im Grunde egal. Sie glaubte eigentlich sowieso nicht an solchen Hokuspokus. Doch es gab Situationen im Leben, da musste man einfach alles ausprobieren, und nutzte es nichts, so würde es auch nicht schaden.
Was sie im Schaufenster liegen sah, fand sie allerdings enttäuschend. Zwischen Edelsteinen und Kristallkugeln lagen Pendel in unterschiedlichen Formen, daneben sehr aufwendig gestaltete Tarotkarten, ziemlich unförmig wirkende Salzkristalllampen und vor allem Bücher über Bücher. Da ging es um die geheimnisvollen Kräfte des Mondes, um tantrische Visionen, Schamanismus, das Tao der Sexualität, die karmische Aura, Geistheiler, die Prophezeiungen und Lehren diverser Meister aus dem Himalaya – Helene hatte anderes erwartet. Dieses Angebot verkörperte nur den esoterischen Supermarkt, in dem sich Diane und ihresgleichen versorgten.
Über die Auslage warf Helene einen Blick in den Ladenraum. Der sah aus wie eine vollgestopfte, alte Bibliothek, mit verschnörkelten Tischen und Regalen, einem ebensolchen, hölzernen Tritt, und in der Mitte im Hintergrund saß ein alter Herr im Schein einer Jugendstilleselampe an einem riesigen Schreibtisch und verschwand fast hinter den hoch aufgetürmten Bücherstapeln, die ihn umgaben. Die Szene hätte einem Spitzweg als Vorlage dienen können. Es mussten Abertausende von Büchern sein, die diesen Raum füllten, und zwar nicht nur neue, wie die im Fenster, sondern hauptsächlich antiquarische Stücke, deren zum Teil kunstvoll verzierte Einbände manches bibliophile Sammlerherz bestimmt höher schlagen ließen.
Während Helene gedankenverloren durch die Scheibe sah, blickte der Mann am Schreibtisch auf, lächelte ihr freundlich zu und bedeutete ihr durch ein Winken, dass sie doch eintreten solle. Und als ob sie nur auf dieses Zeichen gewartet hätte, drückte Helene die Ladentür auf und ging hinein.
»Guten Tag, meine Dame! Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann?«
Nun fragte sich Helene doch, was sie in diesem komischen Laden eigentlich zu suchen hatte.
»Vielen Dank. Äh – darf ich mich ein wenig umsehen?«
»Aber natürlich! Aber fassen Sie bitte nichts an. Manche meiner Gesellen hier sind nämlich schon sehr alt und gebrechlich.« Dabei klopfte er liebevoll auf den einen Bücherstapel. »Ja, ja, wir sind zusammen alt geworden. Aber wenden Sie sich ohne Scheu an mich, wenn Sie etwas wissen wollen!«
Helene nickte und fragte sich, ob Elfriede ihren Nachbarn wirklich kannte. Der Gedanke, dass dieser höfliche, nette Herr etwas Böses im Schilde führen könnte, war absurd. Sie besah sich die Titel, die vor ihr auf einem Tischchen lagen. Sie drehten sich alle um Riten und Zaubersprüche, magische Orte und große Magier, auch ein Bändchen über Voodoorituale war darunter. Wenn Voodoo funktionieren würde, an sich keine so schlechte Möglichkeit – aber nein, diese Wachspüppchenpiekserei war doch nicht ihr Ding.
Sie trat zu einem weiteren Büchertisch, der vollgestapelt war mit Ausgaben neuer und alter Druckwerke zum Thema Astrologie. Bloß nicht diese abstruse Sternenguckerei. Was gab es denn in der nächsten Abteilung? Heilkräuter waren das Thema, die Besinnung auf die heilenden Kräfte der Pflanzen und das Wissen der weisen Frauen in alten Zeiten. Ein ›New Kreutterbuch‹ von 1543 gab es da, ›Von allerley Kreutlein den Liebsten zu gewinnen‹ kündete ein anderes und eines versprach schlicht ›Hexenkräuter, Hexenkräfte‹. Das kam der Sache schon näher. Helene schaute sich das Angebot genauer an.
»Darf ich einmal hier reinschauen?« Sie deutete auf das Hexenbuch.
»Ja, nur zu, das ist nicht so empfindlich«, ermutigte sie der alte Herr mit einem lieben Lächeln.
Was war zu tun, wenn der Nachbar mit seinem bösen Blick die Kuh verhext hatte und sie zu wenig Milch gab? Etwas Dung von der Kuh, verrührt mit ihrem Speichel mit Bockshornkleesamen und sieben Tropfen Muttermilch mischen – es folgten noch mindestens acht weitere Zutaten, die selbstverständlich nur bei Neumond gesucht und zubereitet werden durften, um dann auf das Euter der Kuh unter Anwendung bestimmter Formeln
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