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Schatz, schmeckts dir nicht

Schatz, schmeckts dir nicht

Titel: Schatz, schmeckts dir nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Danz
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dass sie bezahlen würde. Doch die waldorfpädagogischen Erörterungen mit der anderen Mutter forderten die ganze Aufmerksamkeit der Kundin.
    Ein älterer Mann, der, wie Helene gesehen hatte, mit Hilfe eines Pendels eine Tüte Trockenfrüchte und ein Glas Joghurt für sich ausgesucht hatte, und nun bezahlen wollte, stand hinter den nervenstarken Müttern und wurde langsam ungeduldig. Er tippte der einen auf die Schulter: »Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Ihr Baby schreit. Außerdem würde ich auch gerne bezahlen.«
    Die junge Frau warf ihm einen bösen Blick zu. »Saget Se mal, was soll denn die Hektik?«, und zu ihrer Gesprächspartnerin gewandt setzte sie hinzu: »Hättscht du gedacht, dass die hier au so kinderfeindlich sin?«
    Die schüttelte mit einem missbilligenden Blick auf den Mann ihren Kopf. Der schaute sie gar nicht mehr an, sondern schob ihren Einkaufskorb energisch ein paar Zentimeter weiter und stellte seine ausgependelten Teile auf den Tresen.
    »Schwabenpack«, knurrte er leise.
    »Hen Sie was zu sage?« Die eine junge Mutter wandte sich abrupt nach ihm um, doch der Mann ignorierte sie und bat die Kassiererin freundlich:
    »Kannst du mir das mal schnell abziehen, Amras, mein Täubchen?«
    »Was gibt’s denn heute bei dir, Ernst? Oh, Jogi und Feigen! Lecker!«
    Amras wurde auf einmal richtig munter. Offensichtlich kannte man sich und plauderte des Öfteren miteinander.
    »Ja, heute hat er es richtig gut mit mir gemeint.« Der Kunde namens Ernst hob triumphierend sein Pendel in die Höhe.
    »Ich hoffe, ihr habt von den Feigen noch mehr und ich muss mir nicht wieder einen Vorrat davon anlegen.«
    »Ich kann dich beruhigen: Wir haben zwei große Kisten davon bekommen! Da herrscht keine Not.«
    »Na ja, du weißt ja, wie das ist: Manchmal findet er hier gar nichts für mich und ich muss hungern!«
    »Sollst du doch nicht, Ernst! Mach’s gut!«
    »Tschüß, meine Kleene! Bis morgen!« Und damit eilte er zur Ladentür hinaus, begleitet von den bösen Blicken der beiden Mütter, die es nun plötzlich auch entsetzlich eilig hatten. Sie trommelten nervös mit den Fingern auf die Theke, während Amras sich in ihrem herausfordernd langsamen Tempo ans Abrechnen des zweiten Einkaufs machte, seelenruhig zum Regal schlenderte, um den Preis für ein Glas Honig nachzuschauen, zwischendurch ein Telefongespräch annahm und dann nebenbei einem wissbegierigen Kunden die vielfältigen und wundersamen Eigenschaften von Teebaumöl erklärte.
    »Geht das vielleicht ein bisschen schneller, ich hab’s eilig.«
    Amras schaute der Kundin kurz ins Gesicht, tippte in ihrem behäbigen Rhythmus die letzten fünf Artikel ein und sagte ungerührt:
    »31.23.« Und dann hielt sie nur noch die Hand auf, kassierte und ließ die beiden Mütter mit ihren Kinderwagen grußlos von dannen ziehen. Nicht nur vom Warenangebot her war Elfriedes Laden eine eigene Welt, auch die Kundschaft und die Mitarbeiter schienen ein ganz spezieller Menschenschlag zu sein. Helene wollte eigentlich noch etwas von der verlockenden Käsevielfalt probieren und hatte sich vor den Tresen gestellt, an dem der kurz geschorene junge Mann, der vorhin die Zähne nicht auseinandergebracht hatte, bediente.
    Welch wundersame Wandlung! Schon längere Zeit lehnte er mit dem Oberkörper über dem Tresen und redete ohne Unterlass. Ihm gegenüber stand eine sehr gepflegte, attraktive Mittdreißigerin, die er nicht aus den Augen ließ, und der sein Wortschwall galt. Er erzählte ihr von den Wohltaten einer neuen Art Körperarbeit, die er gerade in einem Workshop am Wochenende erlernt hatte, und wollte von ihr, wohl auf diesem Gebiet bewandert, ein Urteil dazu hören. Ihr war anzusehen, dass seine Aufmerksamkeit und sein Wunsch, ihren Rat einzuholen, ihr nicht unangenehm waren und sie gerne auf sein Ansinnen einging. Doch darauf konnte Helene keine Rücksicht nehmen. Sie wollte schlicht und einfach Käse kaufen.
    »Entschuldigung – ich möchte nicht stören, doch ich hätte ganz gerne ein Stück von diesem Ziegenkäse hinten rechts.«
    Ungern gab der junge Mann seine entspannte Haltung über der Käsetheke auf. Gott sei Dank, dachte Helene, denn sein undefinierbar graufarbiges T-Shirt hatte die ganze Zeit verdächtig nahe über den ausgestellten Käsen gehangen. Bis jetzt jedoch hatte er auf ihre Anrede nicht reagiert, sondern stellte bedauernd fest: »Ja, Johanna, das war’s dann wohl für heute! Wir reden morgen weiter. Ist doch wirklich ’ne spannende Geschichte.

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