Schatz, schmeckts dir nicht
gelassen zu bleiben. Vor allem auch, weil sie merkte, welche Freude sie Jan mit dieser Einladung gemacht hatte. Als sie ihm ihr Anliegen vortrug, heute wieder einmal die komplette Familie am Tisch versammeln zu wollen, da alle ja im Moment so wahnsinnig beschäftigt seien, sie eingeschlossen, nahm er diesen Vorschlag gutgelaunt auf, und der Appell an seinen Familiensinn ließ ihn hoch und heilig versprechen, pünktlich zu sein.
Er kam denn auch nur eine dreiviertel Stunde später als angekündigt nach Hause und stürzte sich, genau wie Janina und Peer, mit Heißhunger auf Helenes vegetarisches Menü: Sehr angenehm bei diesem unfreundlichen, nasskalten Wetter war die exotisch mit Orangen und Ingwer aromatisierte Suppe aus roten Linsen als Vorspeise. Dann folgte ein herzhafter Auflauf, in dem sich Mangold, Grünkern und eine sahnige Käsesauce aufs Trefflichste verbanden. Und als Dessert hatte Helene Äpfel in Scheiben geschnitten, mit Zimt und Zucker bestreut etwas ziehen lassen, Butterflöckchen darüber gegeben und sie im Ofen überbacken. Dazu servierte sie eine lockere Vanillequarkcreme – es war köstlich.
Wie immer hatte die Familie ihre Kreationen in Nullkommanix weggeputzt, und es an der gebotenen Ehrfurcht mangeln lassen – der gewöhnliche Frust bei der Alltagskocherei. Höchstens Jan ließ pflichtbewusst ab und an einen zustimmenden Wohllaut ertönen. Aber keiner fragte, ob sie nach einem Rezept vorgegangen war, wie sie diesen wunderbaren Nachtisch gezaubert hatte, was das Geheimnis der fruchtig-feurigen Suppe war. Selbst die Tatsache, dass sie nun bewusst vegetarische Küche pflegte und dies in erlesener Qualität, schien niemanden besonders zu beeindrucken. Aber sie war diese Ignoranz gewöhnt und freute sich schon auf das Premierenbüffet, wo man ihre Kunst hoffentlich besser zu würdigen wusste.
Trotzdem fand Helene, dass die Mühe sich gelohnt hatte. Sie unterhielten sich mal wieder intensiv mit den Kindern, tranken, als die sich zurückgezogen hatten, noch von dem Roten, den Elfriede ihr geschenkt hatte und der wirklich ausgezeichnet war, und redeten von alten Zeiten, von gemeinsamen Freunden, von der Zukunft ihrer Kinder, und gingen dann ganz selbstverständlich miteinander ins Bett, was an sich ja auch eine Selbstverständlichkeit war, nur eben in letzter Zeit nicht mehr.
Die Interviews / Nr. 3
Elfriede
Ich muss sagen, ich habe mich richtig gefreut, als ich Helene nach so vielen Jahren bei dieser Ausstellungseröffnung wieder getroffen habe. Und ich glaube, ihr ging es ebenso. In unserer gemeinsamen Kinderladenzeit waren wir ja nicht gerade Freundinnen, das gebe ich zu. Ich war früher sehr radikal und konsequent in meinen Ansichten. Wahrscheinlich habe ich meine Mitmenschen manchmal ganz schön genervt mit meinem missionarischen Eifer. (lächelt gedankenverloren)
Als ich Helene kennen lernte, war sie die absolut perfekte Familienmanagerin, hatte ihren Mann, die Kinder, den Haushalt total im Griff. In ihrer Wohnung sah es immer wohnlich aus, niemals unaufgeräumtes Chaos, stets hatte sie einen frisch gebackenen Kuchen im Haus und Zeit für eine Tasse Tee. Sie und die Kinder waren immer modisch und adrett gekleidet, und ganz nebenbei organisierte sie noch die tollsten Feste im Kinderladen, kochte zuhause für Gäste und schien sich mit Jan bestens zu verstehen.
Ich habe Helene einfach nur beneidet. Und weil ich mit ihr nicht konkurrieren konnte, fühlte ich mich irgendwie berufen, ihr und allen anderen Unwissenden das richtige ökologische Bewusstsein nahezubringen, und habe krampfhaft versucht, jeden um mich herum zum Vegetarismus zu bekehren. Außerdem gab ich mich als die emanzipierte, selbständige Frau. Aber im Grunde war ich ziemlich frustriert, weil es in meinem eigenen Leben ganz und gar nicht so lief, wie ich mir das vorgestellt hatte. Beim Thema Gleichberechtigung war ich auf der ganzen Linie an Peregrins egoistischem Vater gescheitert, der mir erst kalt lächelnd die ganze Hausarbeit und Kindererziehung überließ und sich dann vom Acker machte. Manche Menschen müssen eben erst so ihre Erfahrungen sammeln. (lächelt wieder)
Aber man wird ja ruhiger mit den Jahren. Jedenfalls hatte ich für mich das Gefühl, dass Helene und ich uns jetzt bestens verstehen. Ich habe auch ganz fest vor, mich demnächst bei ihr zu melden, und hoffe ehrlich, sie freut sich darüber. Und Sie werden verstehen, bevor ich mich weiter zu der Angelegenheit äußere, möchte ich
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