Schatz, schmeckts dir nicht
immer ein wenig wie der reine Tor, der in allem nur die gute Seite sieht. Außerdem ist er wohl mit seinem Job verheiratet und vor allem dankbar, dass ihm Helene den Rücken dafür frei hält, in ihrer klassischen Hausfrauenrolle.
Warum hat sich Helene gerade diesen Mann ausgesucht? Das hab ich mich oft gefragt. Na ja, vielleicht weil Gegensätze sich anziehen. Das wäre die einzig plausible Erklärung. Wie mag es ihm wohl nach alledem jetzt gehen? Und wie geht es Helene? Ach, ich muss mich unbedingt um die beiden kümmern, aber man ist ja immer so entsetzlich beschäftigt! Vor allem um Helene muss ich mich kümmern. Die Situation ist bestimmt nicht leicht für sie. Ich könnte mir vorstellen, dass sie für alles eine ganz einfache Erklärung hat. Aber ganz abgesehen davon, egal wie: Helene ist und bleibt auch weiterhin eine sehr gute Freundin.
Kapitel VII
Puh, wie schwül und stickig die Luft hier drinnen war! Helene knöpfte ihren Regenmantel auf und öffnete das Tuch an ihrem Hals. Auch das Rentnerpaar, das sich wie sie vor dem Regen ins Tropenhaus geflüchtet hatte, kämpfte mit seinen sportlichen Outdoorjacken im Partnerlook, und der Mann wischte sich den Schweiß von der kahlen Stirn. Orchideen und Lianen dagegen fühlten sich hier so richtig zuhause.
Der April machte seinem Ruf alle Ehre, als ob er seinen Musterkoffer an Wetterkapriolen einem interessierten Käufer vorführte: Schien eben noch stechend heiß die Sonne, zogen im nächsten Moment dunkle, dicke Wolken auf, es goss in Strömen und blitzte und donnerte sogar. Dann wieder blauer Himmel, harmlose Sahnewölkchen, goldene Sonnenstäubchen, und plötzlich Hagel, Eiseskälte. Nicht die idealen Bedingungen für einen Besuch im Botanischen Garten außerhalb der Gewächshäuser. Doch das Leben verlangte einem hin und wieder den Verzicht auf Bequemlichkeit ab. Das sah Helene ein und sie beklagte sich auch gar nicht. Dafür fand sie ihr neu erwachtes Interesse an allerlei Kräutern und sonstigen Pflanzen viel zu spannend.
In früheren Jahren hatte sie sich häufiger im Botanischen Garten aufgehalten. Damals hatte eine ambitionierte Köchin noch Schwierigkeiten, Kräuter und Gewürze, die über Petersilie und Schnittlauch hinausgingen, vor allem in frischer Form, im Gemüseladen kaufen zu können. Doch findig wie Helene war, wenn es um die Zubereitung feiner Speisen ging, investierte sie gerne den kleinen Obolus für den Eintritt und verband das Angenehme eines Bummels durch den weitläufigen Park mit dem Nützlichen.
Auf kleinen ovalen Emailschildchen waren in der Abteilung ›Kräuter zum Heilen und Würzen‹ feinsäuberlich die Namen der Kräuter verzeichnet, die in deutschen Landen höchstens für Hustensaft oder Fußbäder Anwendung fanden, jedoch in der Küche damals noch als exotisch galten: Erst die lateinische und dann die deutsche Bezeichnung: Thymus vulgaris L. – Thymian, Salvia officinalis L.- Salbei, Ocimum basilicum L. – Basilikum. Heute konnte man all dieses und viel mehr in jedem Supermarkt, der auf sich hielt, erwerben. Als Pionierin des guten Geschmacks musste Helene schon damals jedoch gewärtig sein, wegen ihres Engagements für eine Saltimbocca alla Romana, von einem der Wächter als Parkfrevlerin ertappt zu werden, wenn sie sich mit dem allzeit griffbereiten Schweizer Messer an einem der üppig wuchernden Salbeibüsche zu schaffen machte. Dieses Risiko nahm sie märtyrerhaft und selbstlos auf sich. Köstliche Aromen, authentischer Geschmack und zutiefst beeindruckte Gäste waren ihr Lohn genug.
Die wichtigsten Kräuter zog sie mittlerweile in ihrer Küche auf der Fensterbank, im Sommer auch auf der Terrasse, und sie brauchte zu diesem Zweck keine Raubzüge mehr in öffentliche Parks zu unternehmen. Heute lenkte ein anderes Motiv ihre Schritte, und als zwischen den dicken Schauerwolken ein Stückchen blauer Himmel erschien, verließ sie das stickige Tropenhaus wieder, um ihre Botanisiertrommel unauffällig mit den Schätzen der Natur zu füllen. Kurzerhand hatte sie ihre Handtasche dazu umfunktioniert und alles perfekt vorbereitet.
In der einen Tasche ihres Regenmantels führte sie kleine, verschließbare Plastikbeutel mit, und in der anderen einen Bogen selbstklebende Etiketten, einen Kugelschreiber und das kleine Büchlein, das ihr der freundliche Herr aus dem Laden neben Elfriedes empfohlen hatte. Sie hatte das schmale Bändchen völlig vergessen. Erst nach Susannes Geburtstagsessen, das so einen unerquicklichen Verlauf
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