Schatz, schmeckts dir nicht
denn Prost, da habt ihr ja Schwein gehabt – oder sagt man das nicht zu Vegetariern?«
Alle lachten, die Stimmung war heiter und ausgelassen, und besonders Diane lachte laut und oft. Der Wein mundete Helene wirklich ausgezeichnet, und sie nahm sich auf der Stelle vor, noch mindestens zwei bis drei Gläser davon zu trinken, damit er auch seine heilsame Wirkung in ihrem Kopf entfalten und sie angenehm aus der Wirklichkeit tragen würde.
Irgendwann hatte Helene aufgehört zu zählen, wie viele Gläser Morellino sie nun schon getrunken hatte, und irgendwann hatte sich schützende Dunkelheit über ihr Bewusstsein gesenkt. Leider reagierte ihr Körper auf diese Dosis Alkohol nicht mit Dankbarkeit. Als sie es wagte, am späten Samstagvormittag das erste Mal die Augen zu öffnen, sah sie vor ihrem Bett einen Putzeimer stehen und spürte sogleich, warum. Ihr Mund war wie ausgetrocknet, ihr Gehirn schien wie losgelöst zu schweben und wenn es bei einer Kopfbewegung an die Schädelwand anstieß, machte sich ein unangenehmer Schmerz breit und ihr wurde speiübel. Bruchstückhaft erinnerte sie sich, dass sie mit Dieter und Bertram gegen Morgen noch zu deren bevorzugter Currywurstbude am Mehringdamm gefahren war, was Jan überhaupt nicht witzig gefunden hatte. Hatte sie nicht deshalb sogar mit ihm gestritten?
Die Tür wurde vorsichtig geöffnet und Jan spähte herein.
»Wie geht’s denn unserem kranken Huhn?«
Helene brachte nur ein unartikuliertes Stöhnen zustande. Er setzte sich zu ihr aufs Bett und nahm ihre Hand.
»Wenn in Zukunft jede deiner Premierenfeiern so endet, muss ich dir die weitere Tätigkeit für das Theater wohl untersagen? Lenchen, du warst sturzbetrunken, als dich Dieter und Bertram nach Hause brachten. Ich habe mir richtig Sorgen gemacht.« Ernst sah er sie an. »Aber du musstest ja unbedingt noch eine Currywurst essen«, meinte er kopfschüttelnd.
Helene versuchte ein entschuldigendes Lächeln zu zeigen, doch ihr stieg nur Übelkeit hoch und sie beugte sich schnell über den Eimer neben dem Bett. Jan hielt ihr den Kopf, während sie die Reste der vergangenen Nacht herauswürgte, und redete beruhigend auf sie ein. Anschließend brachte er ihr etwas Wasser zum Mundausspülen, wischte ihr den Schweiß von der Stirn und beseitigte alle anderen Spuren. Sauer schien er jedenfalls nicht mehr auf sie zu sein. Im Gegenteil. Er konnte so ein lieber, lieber Mensch sein! Fast hätte sie in ihrem Elend noch angefangen zu heulen.
»Ich denke, du solltest versuchen, noch weiterzuschlafen, danach geht’s dir bestimmt besser! Übrigens soll ich dir von Dieter gute Besserung wünschen, er hat angerufen. Und Susanne auch. Die sollst du zurückrufen. Und Diane hat angerufen und sich nach deinem Befinden erkundigt. Sie hat gesagt, du sollst liegen, reichlich Wasser trinken und entgiften. Also, dann schlaf gut und träum schön!«
Ob wegen oder trotz all dieser Empfehlungen, Helene schlief glücklicherweise sofort wieder ein und verschlief den ganzen Rest des Tages.
Eine besorgte Susanne rief schon am Sonntag wieder an, um sich nach dem Befinden der Freundin zu erkundigen.
»Ich bin wieder völlig in Ordnung, wirklich, Susanne!«
»Bist du ganz sicher? Wenn ich dir irgendwie helfen kann, sag’s mir, ja?«
Helene wusste genau, auf welche Art Gesprächstherapie und vor allem auf welches Thema Susanne hinauswollte.
»Susanne, ein kleiner Kater bringt einen nicht um und mich schon gar nicht. Bei den Mengen Wein – er schmeckte mir einfach so unverschämt gut – muss man in die Knie gehen. Und dann noch die Currywurst hinterher. Nächstes Mal werde ich mich besser im Griff haben.«
Insgeheim fragte sich Helene natürlich, ob sie im Zustand der Trunkenheit irgendwelche verräterischen Äußerungen über den Anlass ihres Besäufnisses getan hatte, oder ob Susanne nur eine vage Vermutung hatte. Inzwischen hatte Susanne aber kapiert, dass sie ihr kein Statement über ihren Seelenzustand würde entlocken können, und ging zu einem für Helene angenehmeren Thema über.
»In zwei Wochen werde ich ja nun 40 – eine entsetzliche Vorstellung übrigens – und habe mich jetzt doch durchgerungen, eine kleine Feier zu veranstalten. Und du weißt ja, wie gerne ich in der Küche stehe.«
»Mmh.«
Als ob es darum ginge, dass Susanne zum Kochen keine Lust hatte! Ihr Geschick beim Herstellen von Essbarem jeder Art war – nun ja – ziemlich begrenzt.
»Komm, so schlimm ist es ja nun auch wieder nicht! Jedenfalls
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