Schatz, schmeckts dir nicht
genommen hatte, war sie wieder daran erinnert worden. Während sie durch den um diese Zeit menschenleeren Pflanzenpark streifte, wanderten ihre Gedanken zurück zu jenem Abend. Eigentlich hatte alles ganz vielversprechend begonnen.
Natürlich wollte sie auch bei dem Festessen für ihre Freundin mit ihren Kochkünsten brillieren, da es ein zwar kleiner, doch erlauchter Kreis war, der bei Tische sitzen würde. Es handelte sich ausschließlich um Leute, die eine Menge Ahnung vom Essen und Kochen hatten, oder zumindest zu haben glaubten. Schon die Entscheidung, welche Küche zu diesem Anlass angebracht war, erforderte reichlich Fingerspitzengefühl. Natürlich wollte auch Susanne – allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz – mit dem, was sie zu ihrer Feier auftischte, vor allem renommieren.
Die italienische Richtung stand für Helene schon lange nicht mehr zur Diskussion. Angesichts des inflationären Angebotes italienischer Feinkostläden und Restaurants in der Stadt und der Tatsache, dass jeder kochende Fernsehonkel, jede pfälzische Hausfrau nur noch von Pasta, Rucola und Balsamico faselte, hatte sie an Exklusivität schon lange verloren. Und überhaupt, musste es denn immer irgendetwas Exotisches sein? Es war nicht ganz einfach, das Richtige für diese wählerische, aber auch etwas ignorante Runde zu finden. Aber wie war es denn mit Spezialitäten aus deutschen Landen? Endlich hatten die Restaurants, die auf sich hielten, auch die deutsche Küche entdeckt, setzten neben italienisch oder asiatisch angehauchten Gerichten, auch Berliner und Brandenburger Spezialitäten auf ihre Speisekarte. Und schwäbisch kochende Lokale fanden sich inzwischen an jeder Ecke der Stadt, wenn auch in sehr unterschiedlicher Qualität.
Susanne kam – wie Jan – aus dem Norden. Die schleswig-holsteinische Küche war nicht unbedingt ein lukullischer Geheimtipp. Doch sie hatte durchaus interessante Aspekte. Und Helene sah darin eine Herausforderung, diese freizulegen und vor entsprechendem Publikum zur Geltung zu bringen. Sie nickte zufrieden vor sich hin. Also dann: Back to the roots!
Auf keinen Fall allerdings durfte sie Susanne in ihre Überlegungen mit einbeziehen, denn diese wäre in der ihr zuweilen eigenen Borniertheit entsetzt gewesen, wenn sie hörte, dass Helene ihren Gästen heimatliche Spezialitäten aus Schleswig-Holstein vorsetzen wollte. Doch – dieser Coup müsste gelingen. Sie sah schon jetzt die verwöhnte Gesellschaft beeindruckt zu ihren Füßen liegen.
Ihr persönlicher Einsatz für das Geburtstagsmenu entband Helene praktischerweise vom Grübeln über ein witziges oder wie auch immer originelles Geschenk zu diesem viel bejammerten 40. Geburtstag. Sie würde Susanne nur einen entsprechenden Strauß als Tafelschmuck und die Speisenfolge in Sütterlin auf Bütten als Erinnerung überreichen und ansonsten ihre Arbeitskraft und Kreativität schenken. Voller Eifer stürzte sie sich in die Auswahl der Speisen und das Verfassen der Einkaufslisten. Mit der Begründung, auch ihr Geburtstagsgeschenk solle eine Überraschung werden und Susanne solle ihr nur vertrauen, konnte sie auch das verabredete gemeinsame Frühstück ausfallen lassen. Sie gab ihrer Freundin einzig den Hinweis, für die Geburtstagstafel das handgetöpfterte, rustikale Service und ihre blauweißen Leinentischtücher und Servietten bereitzuhalten.
Das Auto vollgeladen mit Einkaufstüten, Getränkekästen und Kartons mit zuhause vorbereiteten Zutaten, war sie am Morgen des großen Tages bei Susanne angekommen. Mit schlichten, weißen Tulpen – davon allerdings 40 Stück, also einem ganzen Arm voll, die als Geburtstagsstrauß und Tischdekoration dienen sollten – klingelte Helene an der Wohnungstür, und es öffnete ein Wesen, das die personifizierte Glückseligkeit schien und flötete:
»Guten Morgen, meine Liebe! Oh, wie schön! Sind die für mich? Danke!«
Und schon hatte Susanne der völlig geplätteten Helene ihre Tulpen entrissen und sie heftig auf beide Wangen geküsst, sodass ihr keine Zeit blieb, ihre wohlüberlegten Geburtstagswünsche loszuwerden. Mit allem hatte sie gerechnet: Eine in Tränen aufgelöste Susanne oder bereits dem Alkohol zusprechend, um den Kummer über diesen Tag zu ertränken oder aber hysterisch sich weigernd, überhaupt je wieder die Türe zu öffnen – und jetzt das!
»Ja, die Blumen sind für dich, aber sie sind auch als Schmuck für den Esstisch heute Abend gedacht. Vielleicht sollten wir sie
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