Schatzfinder
erscheinen, obwohl man sie drei Tage zuvor noch nie gesehen hatte, seine Lebensgeschichte und seine kühnsten Träume erzählt.
Und andere, die als Single im Urlaub sind (obwohl sie vielleicht noch gar nicht wissen, dass sie Single sind), lernen plötzlich einen Traumtypen oder eine Superfrau kennen und haben von jetzt auf gleich ganz unverhofft die fantastischste Zeit ihres Lebens. Kaum wieder zuhause, trauert man den glücklichen Tagen hinterher, während man sich den Sand aus den Schuhen schüttelt und sich wieder einnordet in das echte, ernste, traurige, langweilige Leben.
In solchen Ausnahme-Urlaubs-Zuständen sehen wir plötzlich die Möglichkeiten. Im Alltag passiert uns so etwas nicht. Oder selten. Und zwar aus dem gleichen Grund, warum wir das große Bild nicht malen können. Wir sehen die Gegenstände und Personen um uns herum, dann schauen wir auf das große Briefing, das uns vorgibt, wie wir die Welt zu sehen haben (außer im Ausnahme-Urlaubs-Zustand), wir zucken müde mit den Schultern, dann verbinden wir die Gegenstände und Menschen mit unseren vorgefertigten Meinungen, die wir dem Briefing entnehmen, wir bewerten sie, legen sie um auf die Realität – und sehen … kein Bild. Sondern nur viele lose Puzzleteile undefinierbarer Form und Farbe, die wir verzweifelt versuchen zusammenzusetzen.
Wenn wir an Urlaub denken, dann denken wir an Urlaub und nicht an den Schriftverkehr mit unserem Reisebüro.
Wenn wir an Urlaub denken, dann denken wir an Urlaub und nicht an den Schriftverkehr mit unserem Reisebüro. Das Leben ist dann wie ein 5 000er-Puzzle mit dem Motiv »Mondloser Nachthimmel«. Wie viel leichter wäre es, das 5 000er-Puzzle »Der Central Park im Sonnenschein« zusammenzusetzen? Einfach weil man eine Bildvorlage hat und sich nicht nur an der Form der Teile orientieren muss.
Es ist so viel leichter und so viel schöner, wenn Sie eine Bildvorlage von Ihrem Leben haben. Aber wir haben sie oft nicht, weil wir sie uns nicht vorstellen.
Das letzte Mal waren wir als Kind fähig dazu. Wenn ein Kind ein Auto malt, dann malt es den Motor auf dem Dach und fünf Räder und Flügel dran für den Fall, dass mal ein Ozean im Weg sein sollte. Wir armen Erwachsenen aber docken uns an das große Briefing an: Na, komm, Hermann, jetzt sei mal realistisch. Autos haben nicht fünf Räder. Nicht wahr? Autos haben wie viele Räder? Vier! Sehr gut, brav, Hermann. Genau. Vier Räder. Und wo ist noch gleich der Motor? Auf dem Dach? Höhöhö, in Wirklichkeit nicht, gell? Also, bauen wir ihn da ein, wo er hingehört. Und das mit den Flügeln? Na, das musst du dir leider auch abschminken. Weißt du, die Physik und so. Lass mal die Flügel weg, so ein Auto fährt auf der Straße. Jetzt weißt du’s!
Vorstellungskraft ist die Vorschau auf die kommenden Attraktionen des Lebens.
Wer mit seiner Meinung in der Minderheit ist, hat es nicht immer leicht. Und manch einer neigt dazu, seine Ansichten der Mehrheit anzupassen. Eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts zeigt, dass bereits Vorschulkinder sich dem Gruppendruck Gleichaltriger beugen, selbst wenn sie es besser wissen. In einem Experiment wurden vierjährige Kinder mit scheinbar identischen Bilderbüchern ausgestattet. Drei Viertel der Kinder sah auf einer Doppelseite links drei Tiger, einen kleinen, einen mittleren und einen großen. Rechts war nur dermittlere abgebildet. Ein Viertel der Kinder sah links genau die gleiche Tierfamilie, rechts aber den großen Tiger.
Obwohl die Kinder aus diesem Viertel der Gruppe eigentlich klar erkennen konnten, dass der Tiger auf der rechten Seite ein großer war und kein mittlerer, schlossen sich 18 von 24 Kindern der Mehrheitsmeinung der anderen an und behaupteten das Falsche, nachdem sie gehört hatten, was die anderen sagen. Warum dieser Opportunismus? Das untersuchten die Forscher im zweiten Teil der Studie. Sie fanden heraus, dass wesentlich mehr Kinder dazu neigen, opportunistisch das Falsche zu sagen, wenn sie die Meinung laut vor den anderen aussprechen mussten. Es ging um soziale Anerkennung, darum, Teil der Gruppe sein zu wollen: Ja nicht ausscheren! Völlig egal, was die Wahrheit ist.
Durften sie aber ihre Meinung still oder anonym äußeren, einfach durch Aufschreiben, dann bleiben fast alle Kinder bei der Wahrheit. Die Kinder passten also in der Regel ihre öffentliche, nicht aber ihre private Antwort an die Mehrheit an.
Durch das Wiederkäuen und Wiederdenken von Bekanntem und Bewährtem
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