Schatzfinder
Erwachsene haben oft eine verlorene Vision, sind aber überlebensfähig. Es scheint, als würden wir mit der Fähigkeit zu überleben die Vision verlieren.
Erbse wird nur, wer drei Jahre alt ist. Starpianist wird nur, wer musikalisch ist, flinke Finger hat und früh genug anfängt zu üben. Olympiasieger wird nur, wer den perfekten Körper, unbändigen Willen und jede Menge Dusel hat. Millionär wird nur, wer eine perfekte Ausbildung, den richtigen Riecher und eine grandiose Idee hat. Oder in Abu Dhabi geboren wurde. Das heißt: Wer nicht schon mit vier angefangen hat zu üben, wer nicht das perfekte Gehör hat, wer nicht den idealen Körperschwerpunkt besitzt, wer nicht genial ist, wer nicht das Glück hat, im richtigen Augenblick am richtigen Ort zu sein und das richtige Alter zu haben, der hat keine Chance, seine Träume zu verwirklichen. Richtig? Dem fehlen schlicht die Voraussetzungen. Oder? Um hoch gesteckte Ziele erreichen zu können, müssen nun mal bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Denken wir. Und je höher die Ziele, desto härter die Bedingungen. Glauben wir.
Aber ist das die Wahrheit?
Wir fragen uns immer: Was brauche ich dazu? Unter welchen Umständen kann ich das schaffen? Schließlich will niemand mit dem Kopf vor die Wand rennen, nur weil er vor dem Handeln vergessen hat, realistisch zu bleiben. Jeder vernünftige Mensch klopft also ab, ob es sich lohnt, einen Flug nach Alaska zu buchen, um den Mount McKinley zu besteigen. Was braucht man dazu?Habe ich alles? Körperliche Fitness? Kräftige Arme und Beine, Finger und Zehen? Gutes Wetter mit freier Sicht? Professionelle Ausrüstung und Bekleidung? Was braucht man noch alles?
Meine Frage bei meinem Seminar »Grenzen überwinden« ist: Braucht man das wirklich? Sind diese Voraussetzungen notwendig, oder gehen wir nur davon aus? Sind sie die Wahrheit, oder sind sie nur
eine
Wahrheit?
Andy Holzer aus Osttirol hat es schon auf sechs der Seven Summits geschafft, also die höchsten Gipfel auf jedem Kontinent. Der Neuseeländer Mark Inglis hat den 8201 Meter hohen Cho Oyu erklommen. Warren McDonald aus Australien hat es auf den Kilimandscharo geschafft.
Was haben sie dazu gebraucht? Andy Holzer ist von Geburt an blind. Mark Inglis mussten nach Erfrierungen beide Unterschenkel amputiert werden, er geht vom Knie abwärts auf Prothesen. Warren MacDonald hat überhaupt keine Beine mehr, nachdem sie ihm von einem Felsbrocken zerschmettert wurden. Er geht auf zwei kurzen Stümpfen oder zieht sich kurzerhand an einem Seil den Berg hoch. Und Spencer West hat gar keine Beine, weil sie ihm amputiert werden mussten, und war trotzdem auf dem Kilimandscharo. Etwa ein Fünftel der Strecke legte er im Rollstuhl zurück, den Rest auf seinen Händen.
Auch wenn in unserer persönlichen Version der Welt Bergsteiger Augen, Arme und Beine haben: In Wirklichkeit brauchen wir gar nichts, um bergzusteigen. Außer vielleicht einen Berg. Und über den können wir auch noch gerne streiten.
Vieles von dem, was wir glauben zu benötigen, benötigen wir nicht wirklich.
Selbst wenn wir es noch so sehr gewohnt sind, realistische Ziele zu setzen und professionelle Aktionspläne auszuarbeiten: Vieles von dem, was wir glauben zu benötigen, benötigen wir nicht wirklich. Voraussetzungen sind lediglich Annahmen, aus denen wir unsere persönliche Version der Welt aufbauen. Und in den meisten Fällen folgt diese Version der Welt den Versionen, die wir bereits gesehen haben und die uns schon früh beigebracht worden sind. Die Wahrheit ist gelernt.
Eine Vision zu malen wäre dann nichts anderes, als eine eigene Wahrheit zu entwerfen, eine, die genauso wahr ist wie die alte, gelernte Wahrheit. Eine Wahrheit, die vielleicht weniger eng, weniger langweilig, weniger trostlos ist als die alte.
Leben nach Wimbledon
Viele, die über Ziele reden und schreiben, sprechen davon, dass wir unsere Vorstellung von der Zukunft zeitlich fixieren sollen: Was sind die fünf großen Lebensziele, die Sie unbedingt erreichen wollen? Gut. Und wann wollen Sie sie erreicht haben? Wann genau? Eine Vision hat eine Deadline. Ja, das glaube ich auch. Nur verstehe ich diese Deadline völlig anders.
Aus meiner Sicht macht es keinen Sinn zu sagen: Bis in zwei Jahren will ich dies oder das erreicht haben. Und wenn ich es nicht geschafft habe, dann gebe ich es eben auf und setze mir ein anderes Ziel. Das ist vollkommen falsch.
Das, was ich mit Vision meine, ist mehr als ein Ziel. Es ist ein Lebenszweck. Und meine
Weitere Kostenlose Bücher