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Schau Dich Nicht Um

Titel: Schau Dich Nicht Um Kostenlos Bücher Online Lesen
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nichts anderem als der braunen Handtasche aus dem Laden, die sie bei sich gehabt hatte, als sie hineingegangen war. Sie stellte den Kragen ihres dunkelgrünen Mantels auf und schob die behandschuhten Hände in ihre Manteltaschen. Jess ertappte sich dabei, daß sie das gleiche tat, während sie der Frau mit mehreren Schritten Abstand folgte.
    Sie überquerten den Chicago River. Auf der einen Seite der breiten Straße ragte das Wrigley Building in die Höhe, auf der anderen
der Tribune Tower. Das Zentrum von Chicago bot mit Bauten von Künstlern wie Mies van der Rohe, Helmut Jahn und Bruce Graham einen seltenen Reichtum an architektonischer Pracht. Jess hatte oft daran gedacht, an einer Besichtigungsfahrt auf dem Lake Michigan und dem Chicago River teilzunehmen. Aber irgendwie war sie nie dazu gekommen.
    Die Frau ging noch einige Schritte weiter, dann blieb sie plötzlich stehen und drehte sich herum. »Warum verfolgen Sie mich?« fragte sie scharf und zornig und klopfte dabei mit den Fingern der einen Hand auf den Ärmel ihres Mantels wie eine ungeduldige Lehrerin, die ein unartiges Kind verhört.
    Jess fühlte sich prompt tatsächlich wie ein kleines Mädchen, das große Angst hat, eins auf die Finger zu bekommen. »Entschuldigen Sie«, stammelte sie, während sie sich wieder fragte, was eigentlich mit ihr los war. »Ich wollte nicht...«
    »Ich hab Sie schon im Bus gesehen, aber da habe ich mir weiter nichts gedacht«, erklärte die Frau, offenkundig erregt. »Dann habe ich Sie bei dem Juweliergeschäft gesehen, aber ich sagte mir, nun ja, jeder hat das Recht, sich ein Schaufenster anzusehen, es ist sicher nur ein Zufall. Aber als Sie dann immer noch hier waren, als ich aus dem Ledergeschäft kam, hab ich gewußt, daß Sie mich verfolgen. Nur, warum? Was wollen Sie von mir?«
    »Ich will gar nichts. Wirklich, ich habe Sie nicht verfolgt.«
    Die Frau kniff die Augen zusammen und sah Jess herausfordernd an.
    »Ich - ich weiß selbst nicht, warum ich Ihnen gefolgt bin«, bekannte Jess nach einer kurzen Pause. Sie konnte sich nicht erinnern, sich je törichter vorgekommen zu sein.
    »Es lag wirklich nicht an Ihnen«, bemerkte die Frau, jetzt etwas entspannter. »Ich meine, wenn es das ist, was Sie beschäftigt. Es hat nicht an irgend etwas gelegen, was Sie gesagt oder getan haben.«
    »Was meinen Sie?«

    »Wir fanden Sie großartig«, fuhr sie fort. »Die Geschworenen... wir fanden Ihre Bemerkung, daß mangelnde Klugheit niemandem das Recht gibt, die Menschenwürde mit Füßen zu treten, die fanden wir wirklich ganz großartig. Wir haben lange darüber debattiert. Sehr heftig sogar.«
    »Aber Sie haben sie nicht akzeptiert«, stellte Jess fest, überrascht, wie sehr ihr daran lag zu verstehen, wie die Geschworenen zu ihrem Urteil gelangt waren.
    Die Frau senkte den Blick. »Es war keine leichte Entscheidung. Wir haben das getan, was wir für richtig hielten. Uns war klar, daß Mr. Phillips Unrecht getan hatte, aber schließlich waren wir uns alle einig, daß es zu hart wäre, den Mann wegen einer Fehleinschätzung, wie Sie sagten, jahrelang ins Gefängnis zu schicken und -«
    »Aber ich habe doch nicht von einer Fehleinschätzung des Angeklagten gesprochen!« Jess hörte selbst das Entsetzen in ihrer Stimme. Wie hatten sie sie nur so mißverstehen können?
    »Ja, das wußten wir«, erklärte die Frau hastig. »Aber wir fanden eben, es könnte auch für ihn gelten.«
    Wunderbar, dachte Jess und holte einmal tief Luft. Sie hatte Mühe, die Ironie der Situation zu würdigen.
    »Wir waren alle ganz hingerissen von Ihren Sachen«, fuhr die Frau fort, als wollte sie sie trösten.
    »Von meinen Sachen?«
    »Ja. Besonders von der hübschen grauen Kombination. Eine der Frauen hat sich sogar überlegt, ob sie Sie fragen sollte, wo Sie sie gekauft haben.«
    »Sie haben sich mit meinen Kleidern beschäftigt?«
    »Die äußere Erscheinung ist sehr wichtig«, erklärte die Frau. »Das sage ich meinen Töchtern immerzu. Sie wissen schon, der erste Eindruck und so.« Sie streckte den Arm nach Jess aus und tätschelte ihre Hand. »Sie machen einen sehr angenehmen Eindruck, meine Liebe.«

    Jess wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Sie spürte, wie ihr Herz zu rasen anfing.
    »Ganz gleich, wie es ausgegangen ist«, sagte die Frau, »Sie haben Ihre Sache sehr gut gemacht.«
    Wie konnte jemand mit so klugen Augen so dumm sein? Jess hatte Mühe, Luft zu holen.
    »Aber ich muß jetzt wirklich gehen«, sagte die Frau, der Jess’

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