Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schau Dich Nicht Um

Titel: Schau Dich Nicht Um Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
nicht«, sagte sie. »Jetzt eine Grippe, das fehlte mir gerade noch! Ich hab keine Zeit, krank zu werden. Fort mit dir, Kratzehals«, befahl sie und griff zu einem Stift. Aber sie konnte sich nicht konzentrieren. Ihr Blick wanderte immer wieder zum Telefon.
    Eine Woche, und Adam hatte nicht angerufen. Na und, hatte sie tatsächlich erwartet, daß er sich melden würde? Ihr gemeinsamer Abend hatte ziemlich geschäftlich geendet - er hatte ihr die Stiefel übergeben, sie hatte ihm den Scheck übergeben. Er hatte sie vor ihrem Haus abgesetzt und ihr zum Abschied nicht mal einen Kuß auf die Wange gegeben. Sie hatte ihn nicht hereingebeten; er hatte nicht gefragt, ob er noch auf einen Sprung mit hinaufkommen dürfte. Sie hatten sich voneinander verabschiedet. Kein »Kann ich Sie wiedersehen?«; kein »Ich rufe Sie an«. Nichts. Wieso also hatte sie mehr erwartet?
    Hatte sie ernsthaft geglaubt, er würde anrufen und vorschlagen, daß sie Thanksgiving zusammen verbringen sollten? Die Staatsanwältin aus Cook County und der Schuhverkäufer aus Springfield! Was machte ihr eigentlich mehr zu schaffen? Daß er Schuhverkäufer war oder daß er sie nicht angerufen hatte?
    Sie hatte Thanksgiving am Ende mit dem schwulen Systemanalytiker
in der Wohnung unter ihr und acht seiner Freunde gefeiert und sich selbst vorgemacht, sie spitze nicht dauernd die Ohren, um zu hören, ob bei ihr oben das Telefon läutete. Nach ein paar Gläsern Wein hatte sie sich Charlie Parker und Jerry Mulligan hingegeben und zusammen mit den anderen einem gütigen Schicksal dafür gedankt, daß sie zusammensein konnten, gesund und lebendig waren, wenn so viele ihrer Freunde dran glauben mußten.
    Sie hatte zuviel getrunken, und Walter hatte sie nach oben bringen müssen. Wenigstens hatte sie nicht nach Hause fahren müssen, dachte sie jetzt.
    Jess senkte den Kopf und dachte an ihr Auto, das völlig hinüber war. Ihre Eltern hatten es ihr geschenkt, nachdem sie an der Northwestern University angenommen worden war. Es hatte das Studium, ihre Ehe und Scheidung, vier Jahre Staatsanwaltschaft überstanden. Doch diesem letzten Angriff hatte es nicht standhalten können. Es hatte Rick Ferguson nicht standhalten können.
    Jess hatte die aufgeschlitzten Reifen, die zerfetzte Polsterung, aus der die Innereien hervorquollen, das Bremspedal, das aus dem Boden gerissen war, nicht gleich bemerkt. Es dauerte Tage, ehe sie von dem ganzen Ausmaß der Zerstörung erfuhr. Ein Totalschaden natürlich. Sinnlos, da etwas reparieren zu wollen. Viel zu schwierig. Viel zu teuer, auch wenn die Versicherung bezahlte.
    Fingerabdrücke hatte man keine gefunden, überhaupt nichts, um Rick Ferguson mit der Hinrichtung ihres Wagens in Verbindung zu bringen. Gewiß, er war genau an diesem Tag in ihrem Gerichtssaal erschienen. Aber was besagte das schon? Niemand hatte ihn im Parkhaus gesehen, niemand in der Nähe ihres Wagens. Niemand hatte ihn überhaupt gesehen. Menschen verschwanden; Eigentum wurde vernichtet; Rick Ferguson lächelte weiter.
    Jess griff zum Telefon und rief im Gerichtsmedizinischen Institut an. »Ach, gut, Sie sind noch da«, sagte sie, als sie Hilary Waughs Stimme hörte.

    »Ich wollte gerade gehen«, antwortete Hilary, und Jess begriff, was sie damit sagen wollte: Es ist spät, fassen Sie sich kurz.
    »Ich nehme an, es ist niemand hereingekommen, der mit Connie DeVuono Ähnlichkeit hat«, begann Jess, als wäre Connie DeVuono vielleicht noch am Leben, wäre plötzlich aus irgendwelchen Gründen aus freien Stücken im Büro der Gerichtsmedizinerin erschienen.
    »Nein, niemand.«
    »Haben Sie die Unterlagen des Zahnarzts erhalten?«
    »Ja, die habe ich. Die liegen hier bereit.«
    »Dann geht es schneller, wenn...«
    »Ja, auf jeden Fall. Jess, ich muß jetzt wirklich gehen. Mir geht’s nicht besonders gut. Ich hab das Gefühl, ich brüte etwas aus.«
    »Da sind Sie nicht die einzige«, erwiderte Jess und wünschte Hilary Waugh gute Besserung. Sie legte auf und hob gleich wieder ab. Sie hatte Sehnsucht nach einer freundlichen Stimme. Sie hatte seit den Tagen vor Thanksgiving nichts mehr von ihrer Schwester gehört. Es sah Maureen gar nicht ähnlich, sich nicht zu melden, ganz gleich, wieviel sie zu tun hatte. Jess hoffte, daß alles in Ordnung war, daß Maureen nicht auch ein Opfer der Grippe geworden war, die zur Zeit in der Stadt zu grassieren schien.
    »Hallo.« Jess hörte an Maureens Stimme, daß sie lächelte, und war augenblicklich beruhigt.
    »Wie geht es dir?«

Weitere Kostenlose Bücher