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Schau mir ins Herz

Schau mir ins Herz

Titel: Schau mir ins Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Hope
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eine immense Willensanstrengung, sich zusammenzunehmen und Nicolas gefasst gegenüberzutreten. Ungezwungen und entspannt winkte er ihr vom Fuß der Treppe aus zu, als sei es die normalste Sache der Welt, am Morgen nach der Hochzeitsnacht zu verschwinden und seine frisch angetraute Ehefrau allein zu lassen.
    Später nahm Carol kaum etwas von dem auf, was er sagte. Umso deutlicher hörte sie ihre eigene Stimme, die wie die einer Fremden klang und höfliche Fragen über seine Geschäftsreise stellte, sich erkundigte, ob die Fähre pünktlich gewesen war, Bemerkungen über die Hitze machte. Bei alledem versuchte sie, freundlich und gleichgültig zu erscheinen, und hoffte, dass sie genauso gelassen aussah, wie sie sich gern gefühlt hätte.
    Nicolas beantwortete ihre Fragen ausführlich und musterte sie dabei auf eine Weise, die sie nervös machte. Sein eigener Gesichtsausdruck ließ keinerlei Regung erkennen, weder ein schlechtes Gewissen wegen dem, was er ihr angetan hatte, noch Freude darüber, sie wiederzusehen. Lediglich einen Anflug von süffisanter Belustigung, als habe er bemerkt, dass sie ihm etwas vorspielte, akzeptiere es jedoch, weil sie auf diese Art miteinander umgehen konnten, ohne das Gesicht zu verlieren.
    „Geht es dir gut?“, erkundigte er sich, genau wie Tante Lucia, nur dass die ältere Dame sie dabei nicht von Kopf bis Fuß gemustert hatte, mit diesen dunklen, unergründlichen Augen, in denen Carol nicht das Geringste lesen konnte. Sie wandte sich ab, damit Nicolas nicht sah, wie ihr die verräterische Röte in die Wangen schoss.
    „Ich muss Anna Bescheid geben, dass du da bist“, erwiderte sie. „Sie wollte das Dinner um acht Uhr fertig haben und wird überglücklich sein, dich zu sehen.“
    „Und du?“, fragte er, „bist du überglücklich, mich zu sehen?“
    „Aber natürlich“, antwortete sie leichthin über die Schulter. „Hast du etwas anderes erwartet?“
    Das erste gemeinsame Abendessen nach ihrer Heirat schien zu besiegeln, wie sie in Zukunft leben würden. Sie redeten über Triviales – die Blumen für den Tischschmuck, die Cassar geliefert hatte, die Postkarte von Ta Dentella, die am Vormittag eingetroffen war.
    Während des gesamten Dinners und danach begegneten sie einander mit betont neutraler, distanzierter Höflichkeit.
    Carol hütete sich, irgendetwas zu äußern, das Nicolas auf den Gedanken bringen konnte, dass sie je in Gefahr gewesen war, sich in ihn zu verlieben. Nicolas erwähnte den grausamen Brief, der all ihre Hoffnungen zerstört hatte, mit keiner Silbe. Er sagte ihr weder, wo er gewesen war, noch, wie er die Woche seiner Abwesenheit verbracht hatte.
    Während ihr Alltag sich langsam einspielte, wurde Carol klar, dass sie und Nicolas kaum je alleine waren. Er pflegte zeitig zu frühstücken – auf dem Balkon seines Schlafzimmers, das an ihres angrenzte.
    „Der alte barone, Gott hab ihn selig, und seine Frau, sie hatten jeder ihr eigenes Schlafzimmer“, erzählte Anna, als sie die neue Hausherrin im palazzo herumführte und ihr sämtliche Räume zeigte. „Und dank der Verbindungstür konnten sie zusammen sein oder nicht, ganz wie sie es wünschten.“
    Nun, Nicolas verspürte offenbar nicht den Wunsch, mit ihr zusammen zu sein. Morgen für Morgen erwachte Carol allein in dem riesigen Bett, das der alten baronessa gehört und in dem auch sie so lange allein geschlafen hatte. Die Verbindungstür zwischen den beiden Räumen war nicht abgeschlossen – es hätte die Hausangestellten darauf aufmerksam gemacht, dass zwischen dem barone und seiner schönen jungen Frau etwas nicht stimmte. Aber Nicolas hielt das Versprechen, das er ihr in seinem Brief gegeben hatte, und die Tür mit den reich vergoldeten Schnitzereien blieb geschlossen, als sei sie dreifach versperrt und verriegelt.
    An manchen Tagen hörte Carol, dass er sich in seinem Zimmer aufhielt, doch normalerweise verließ er den palazzo, lange bevor sie aufgestanden war. Wenn er zurückkam, selten vor Sonnenuntergang, gingen sie meistens essen. Wenn nicht, hatten sie Gäste zum Dinner. Oft saßen zwölf oder mehr Personen an der aufwendig gedeckten Tafel, über der sich leise der Deckenventilator drehte.
    Auf ihrem Platz am einen Ende des langen Tischs fühlte Carol sich, als trenne sie eine viel größere Distanz von Nicolas als die beiden Reihen essender, plaudernder Menschen zwischen ihnen. Aber während sie dem ältlichen Onkel zu ihrer Rechten und dem gediegenen Geschäftsmann zu ihrer Linken höfliche

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