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Scheherazade macht Geschichten

Titel: Scheherazade macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Shaw Gardner
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er hoffte auch zum letzten Mal seine Erzählung beendet, da ertönte von der Schlucht her ein lautes Getöse, und kurz darauf fegte ein Wirbelwind aus dem Abgrund heraus und über die Ebene, bis er kurz vor den dort Versammelten zum Stillstand kam.
    Euch, die ihr meiner Geschichte lauscht, sollte es eigentlich, nicht überraschen, daß im selben Augenblick, als der Wirbelwind sich legte, an seiner Stelle der rachedürstende Dschinn erschien, und diesmal trug er einen gewaltigen Säbel bei sich, den die schärfste aller Klingen zierte. Die Augen des Dschinns , in denen Feuer zu lodern schien, richteten sich auf den Händler, und das übernatürliche Wesen verkündete mit grollender Stimme: ›So sei es also: Du hast meinen Sohn getötet, und für diese Tat sollst du nun mit deinem Tod bezahlen – mit einem Tod, so laß mich dir versichern, der ausgesprochen schrecklich und unappetitlich sein wird!‹
    Und der Händler fiel auf seine Knie und ergab sich in sein Schicksal, nicht ohne allerdings wortreich zu wehklagen und ausgiebig mit den Fäusten auf die Erde zu trommeln. Die drei Scheichs jedoch bekamen Mitleid mit dem armen Mann, und der erste von ihnen raffte all seinen Mut zusammen und wandte sich mit folgenden Worten an den Dschinn : ›O prächtigstes aller magischer Geschöpfe, ich kann dir eine Geschichte voller Wunder erzählen, die mich selbst und diese Gazelle hier betrifft. Sollte diese Geschichte dein Gefallen finden, so bitte ich dich darum, ein Drittel des Blutes dieses Händlers nicht zu vergießen.‹
    ›Nun gut‹, meinte der Dschinn nach kurzem Nachdenken, ›so sei es, denn selbst wenn ich nur zwei Drittel des Blutes dieses Mannes vergieße, dann reicht das mit Sicherheit immer noch aus, ihn mindestens dreimal sterben zu lassen.‹
    ›Du bist in der Tat einer der gnädigsten Dschinns !‹ verkündete der erste Scheich. ›So höret denn alle meine Geschichte.‹
     
    DIE GESCHICHTE
    DES ERSTEN SCHEICHS
     
    ›Wisset also, o großer Dschinn und auch all ihr anderen Versammelten, daß die Gazelle, die ihr hier vor euch seht, früher einmal die Tochter meines Onkels gewesen ist, uns also Blutsbande miteinander verknüpften. Kaum, daß sie den Kinderschuhen entwachsen war, nahm ich diese Frau zum Eheweib, und wir lebten über dreißig Jahre lang glücklich zusammen, obwohl uns Allah nicht mit einem Kind segnete. Und so kam es, daß ich mir, als die Zeit reif dafür war, eine Zweitfrau nahm, und diesmal war das Schicksal mir gnädig gestimmt und schenkte mir einen strammen Jungen. Alles schien in bester Ordnung zu sein, bis ich eines Tages, als der Junge bereits fünfzehn Sommer zählte, gezwungen war, die Stadt aus geschäftlichen Gründen zu verlassen.
    Doch seltsame, böse Dinge geschahen während meiner Abwesenheit. Denn es war mir gänzlich unbekannt, daß meine Frau in den Hexenkünsten sehr bewandert war, die man ihr beigebracht hatte, als sie noch ein Kind gewesen war. Und so geschah es, daß sie ihre magischen Kräfte nutzte, um sowohl meinen Sohn als auch seine Mutter zu verwandeln: den Jungen in ein Kalb und meine Zweitfrau in eine Kuh. Beide übergab sie der Obhut meines Hirten, der sie auf die Weide zu den anderen Kühen meiner Herde brachte. Und als ich von meiner Reise zurückkehrte, kam meine Frau mir entgegen und erklärte: ›Deine Sklavin ist gestorben, und ihr Sohn ist in seinem Kummer in die Welt hinausgezogen. Wohin, das weiß ich nicht!‹
    Ach, viele Tränen vergoß ich über dieses Unglück, und so verbrachte ich fast ein ganzes Jahr in tiefer Trauer, bis sich der Buß- und Diwantag näherte und es an der Zeit war, Allah ein Sühneopfer zu bringen. Also beauftragte ich den Hirten meiner Herde damit, eine besonders fette Kuh auszusuchen, die wir zu diesem Zwecke schlachten konnten. Und als der Hirte mir ein solches Tier brachte, da war ich ganz gerührt von dessen Antlitz, denn in den Augen der schönen Kuh schien sich alle Traurigkeit der Welt zu spiegeln, als ob sie unter einem Schmerz zu leiden hätte, der hundertmal größer war als mein eigener. Und als ich mein Messer hob, um das Tier zu opfern, da begann es klagend zu muhen und dicke Tränen zu vergießen.
    Nein, ich brachte es nicht übers Herz, dieses Tier zu töten, obwohl meine Frau, die die ganze Zeit neben mir gestanden und alles beobachtet hatte, mich immer wieder ermahnte, daß ich unbedingt ein Opfer zu bringen hätte. Schließlich gab ich meinem Hirten das Messer und befahl ihm, an meiner Stelle die Kuh zu

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