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Scheherazade macht Geschichten

Titel: Scheherazade macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Shaw Gardner
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töten. Und das tat er, doch als wir die Kuh auszuweiden begannen, da fanden wir kein Fett oder Fleisch an ihr, sondern nur Haut und Knochen.
    Wahrlich, gar seltsam war das alles, und als Opfer für Allah reichte es nicht aus. Also schickte ich meinen Hirten ein schönes fettes Kalb aus der Herde aussuchen, während ich zurückblieb und über die geheimnisvolle geschlachtete Kuh nachdachte, die nicht länger mehr eine Kuh war.
    Der Hirte brachte das Kalb, und als dieses mich sah, da stieß es einen lauten Schrei aus, zerriß die Leine, an der es geführt wurde, und stürmte auf mich los. Und als es sich näherte, sah ich, daß die Augen dieses Kalbes dieselbe Traurigkeit widerspiegelten wie die der Kuh, die soeben erst geschlachtet worden war. Und wie diese vergoß auch das Kalb dicke Tränen.
    Ich beschloß, nicht zwei solcher Geschöpfe zu opfern, tätschelte dem Kalb den Kopf und befahl dem Hirten, ein anderes aus der Herde zu bringen und gegen dieses hier auszutauschen. Doch in diesem Augenblick sagte meine Frau, die immer noch an meiner Seite stand: ›Warum läßt du nach einem anderen Kalb schicken, wenn dieses doch so schön rund und fett ist?‹ In der Tat stellte ich mir dieselbe Frage, und ich weiß bis heute nicht, welcher glücklichen Schicksalsfügung ich es verdanke, daß ich trotz allem meine Meinung nicht mehr änderte.
    Und so endete dieser Tag, und der nächste begann, und an diesem zweiten Tag kam mein Hirte zu mir und erzählte mir eine gar unglaubliche Geschichte.
    ›Mein Herr und Meister‹, sagte er zu mir, ›jenes Kalb von gestern war so traurig und seltsam, daß ich es zu meiner Tochter brachte, die sich wie viele Frauen in dieser Zeit und in diesem Land ein wenig mit den magischen Künsten befaßt hat. Und als sie dieses Kalb sah, da weinte und lachte sie gleichzeitig und bedeckte ihr Antlitz mit einem Schleier und sagte: ›So wenig achtest du also deine Tochter, daß du einen fremden Mann in ihre Gemächer bringst?‹
    Ich war sehr erstaunt und fragte meine Tochter, was sie damit wohl sagen wolle. Sie entgegnete rasch, daß dieses Kalb in Wahrheit gar kein Kalb sei, sondern der verhexte Sohn unseres Herrn und Meister, des Scheichs. Und weiter erklärte sie, daß sie gelacht hätte über den verwirrten Ausdruck auf seinem Antlitz und geweint, weil seine Mutter am Tage zuvor unter das Opfermesser geraten und geschlachtet worden wäre.
    Kann das denn wirklich wahr sein? wunderte ich mich laut. Und als Antwort darauf zeichnete sie einige Zeichen in die Luft und sprach zu dem Kalb: ›Nimm deine eigene Gestalt wieder an, welche es auch immer sein mag!‹ Und im nächsten Augenblick stand kein Kalb mehr vor uns, sondern ein junger Mann von sechzehn Jahren.‹
    Und so brachte mir der Hirte meinen Sohn zurück. Ich war überglücklich über diese Wendung der Ereignisse und leitete sofort alles in die Wege, um meinen Sohn so schnell wie möglich mit der Tochter des Hirten zu verheiraten. Die einzige Frage, die noch offenblieb, war die nach der gerechten Strafe für meine Frau. Als sie das hörte, meinte die Tochter des Hirten: ›Wäre es nicht die angemessenste aller Strafen, ihr das anzutun, was sie anderen angetan hat?‹ Sprachs, drehte sich zu meiner Frau um und verwandelte sie in die Gazelle, die ihr hier vor euch seht.
    Das ist meine Geschichte. Was sagst du zu ihr, o prächtiger Dschinn ?‹
     
    DIE GESCHICHTE
    VON DEM HÄNDLER UND DEM DSCHINN
    (Fortsetzung der fortgesetzten Fortsetzung)
     
    »Auf diese Worte hin«, fuhr Scheherazade fort, »richtete sich der Dschinn zu seiner vollen Größe auf (die in der Tat sehr beachtlich war), hob sein Schwert noch ein ganzes Stück höher über seinen Kopf, und alle vor ihm Versammelten, Händler, Scheichs und Tiere, duckten sich vor seinem Zorn.«
     
     
    AN DIESER STELLE WIRD DIE GESCHICHTE
    VON EINIGEN BLASSROSA FARBTUPFERN
    UNTERBROCHEN
     
    Doch in eben diesem Augenblick, als Scheherazade kurz in ihrer Erzählung innehielt, um Atem zu schöpfen, entdeckte Dunyazad durch die Läden, die den Raum abdunkelten, die ersten blaßrosa Farbtupfer am Morgenhimmel. Und daher sagte sie: »Schaut! Deine Geschichte war so spannend, daß du die ganze Nacht hindurch erzählt hast und wir bereits die ersten Strahlen der Sonne sehen können!«
    »Meine jüngere Schwester erweist sich wieder einmal als eine ausgesprochen genaue Beobachterin«, meinte Scheherazade. »Daher werde ich hier also abbrechen, damit mein Gatte seiner Pflicht nachkommen kann, obwohl

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