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Scheherazade macht Geschichten

Titel: Scheherazade macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Shaw Gardner
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über übernatürliche Erscheinungen aufregen, vor allem über die nicht, von denen man sich nicht sicher sein kann, ob man sie überhaupt gesehen hat, denn falls man sie nicht gesehen hat, warum sollte man sich dann darüber aufregen, nicht wahr?« In seinem Kichern schwang diesmal ein leichter Anflug von Hysterie mit.
    »Ach, sicher bin ich bloß ganz durcheinander wegen meines Mißgeschicks. Und Ihr kommt schon viel zu lange mit viel zu wenig Schlaf aus. Da ist es kein Wunder, wenn wir uns plötzlich Dinge einbilden! Daher würde ich Haremsgerüchten über die tödlichen Folgen bestimmter unerklärlicher Heimsuchungen keinerlei Beachtung schenken und mich unbesorgt zur wohlverdienten Ruhe betten.« Omar seufzte. »Eigentlich sollte ich an dieser Stelle noch ein Gedicht anfügen, aber ich fürchte, ich bin im Augenblick viel zu uninspiriert!«
    Die Tür schlug zu, und er war verschwunden.
    Scheherazade war nicht ganz klar, was sie von alldem zu halten hatte. Vielleicht hätte sie Omar doch erlauben sollen, eines seiner Gedichte zu rezitieren, denn in Reimen schien er sich manchmal viel deutlicher ausdrücken zu können als in Prosa.
    Doch Poesie hin, Poesie her, auf jeden Fall mußte sie einige Dinge klären, schon alleine im Hinblick auf ihr eigenes Wohlergehen.
    »Verzeiht mir, Schwester«, sagte sie daher, »aber ich muß nachsehen, was sich hinter diesem Wandschirm da befindet.«
    Entschlossen ging sie zu der Stelle des Zimmers hinüber, wo sie glaubte, ein Gewand und einen Fuß verschwinden gesehen zu haben. Sie warf einen Blick hinter den Schirm. Es war, wie sie vermutet hatte: Dahinter befand sich überhaupt nichts. Sie tastete den Wandschirm ab, aber auch an diesem erschien ihr nichts ungewöhnlich.
    »Verzeih mir, Schwester«, warf Dunyazad höflich, aber bestimmt ein, wie es die Art aller Frauen in ihrer Familie war, »verstehst du vielleicht, was geschehen ist, seit wir vom Palast zurückgekehrt sind?«
    Scheherazade bewunderte die Genauigkeit der Frage ihrer kleinen Schwester. Nun, sie waren zweifellos Zeugen zweier völlig unterschiedlicher Ereignisse geworden.
    Das erste – die Sache mit dem Kelch und seinem wie auch immer gearteten Inhalt – hatte ein äußerst merkwürdiges Ende gefunden, als Omar das Mißgeschick passiert war. Möglicherweise war Scheherazades Diener unfähig oder nicht gewillt, anders als lobpreisend über ein Geschenk zu reden, das eine einflußreiche Persönlichkeit überbringen ließ, selbst wenn dieses Geschenk nichts anderes als Gift darstellte. Allerdings schien er in der Lage, auf andere Art und Weise auf die wahre Natur dieses Geschenkes hinzuweisen – oder sich Mittel und Wege auszudenken, damit es denjenigen, für den es bestimmt war, niemals erreichte.
    Sie dachte an sein zweifelhaftes, anrüchiges Angebot vom Abend zuvor, und ihr lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Dennoch mußte sie zugeben, daß Omar auf seine Weise sehr taktvoll gewesen war, als er ihr jenen Vorschlag unterbreitet hatte. Vielleicht konnte er gar nicht anders, als stets sehr taktvoll sein. Doch half dieses übertriebene Taktgefühl der Geschichtenerzählerin, was ihre Fragen betraf, nur sehr wenig weiter.
    Ja, und dann war da noch jener zweite Vorfall zu bedenken, als Omar, dem das Mißgeschick mit dem verschütteten Wein und den ruinierten Teppichen so gut wie gar nichts ausgemacht zu haben schien, so völlig aus der Fassung geraten war, weil er glaubte, die Frau in Schwarz gesehen zu haben. Und was war das für ein Name gewesen, den er geflüstert hatte? Sulima? Scheherazade hatte diesen Namen schon einmal gehört, doch sie war so müde, daß sie sich nicht mehr erinnern konnte, ob diese Frau zum Palast gehörte oder bloß eine Gestalt in einer ihrer Geschichten war.
    Scheherazade legte die Stirn in tiefe Falten. Eines stand auf jeden Fall außer Frage: Sie hatten noch vieles über die Etikette in einem königlichen Harem zu lernen.
    »Wir müssen schlafen«, war alles, was Scheherazade ihrer besorgten Schwester antworten konnte.
    Und so kam es, daß die beiden Frauen sich auf ihren Diwanen niederließen und in einen erholsamen Schlaf fielen. Was Dunyazad träumte, konnte Scheherazade nicht mit Bestimmtheit sagen, in ihren Träumen jedoch wimmelte es nur so von geheimnisvollen Frauen in Schwarz. Und immer beobachteten diese Frauen sie, immer schienen sie auf etwas zu warten und zu lauern.
    Doch worauf warteten sie? Und weshalb war Scheherazade überzeugt davon, daß sie hinter ihren

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