Scheherazade macht Geschichten
aber auch so ein stattlicher Mann«, seufzte eine andere.
»Wenn er sich nur nicht diese Sache mit den Köpfen angewöhnt hätte«, stimmte die dritte zu.
Daraufhin verfielen alle Dienerinnen in tiefes Schweigen und starrten Scheherazade an, als wäre dies etwas, das man besser unerwähnt gelassen hätte.
»Oh, entschuldigt«, meinten alle vier gleichzeitig.
»Was steht ihr hier herum?« ertönte eine unnatürlich hohe Stimme hinter ihnen. »Diese beiden Frauen müssen in wenigen Stunden bereit sein!«
Scheherazade sah an den Dienerinnen vorbei und entdeckte einen äußerst erregten Omar, der sich wieder einmal völlig lautlos angeschlichen hatte.
Nun allerdings schien der Geschichtenerzählerin der Zeitpunkt gekommen, diesem Burschen klarzumachen, wer hier die Herrin im Harem war. Es war Zeit, wie eine Königin aufzutreten. Wenn jemand hier das Recht hatte, aufgebracht zu sein, dann war es Scheherazade.
»Es tut mir leid«, meinte sie daher, und man konnte ihrer Stimme anhören, daß es ihr überhaupt nicht leid tat, »aber diese Frauen hier machen sich große Sorgen. Es gehen Gerüchte um, daß Schwarze Magie im Harem am Werke sei.«
Omar begann höhnisch zu kichern. »In einem Harem gibt es immer irgendwelche Gerüchte.«
Doch Scheherazade ließ sich nicht beirren. »Gerüchte, die mit Sulima zu tun haben.«
Omars Gesicht hatte noch nie viel Farbe besessen, doch als er diesen Namen hörte, wurde er noch bleicher. »Sulima? Davon will ich nichts hören! Das kann nicht sein! Das darf nicht sein! Man hat mir versichert... Nun, das gehört nicht hierher.« Er klatschte in die Hände. »Doch ich kann nicht dulden, daß ihr Dienerinnen wilde Gerüchte verbreitet! Beeilt euch jetzt, und bereitet die Königin und ihre Schwester auf ihren allnächtlichen Besuch beim König vor.« Er musterte die Frauen, die vor ihm standen, mit argwöhnischen Augen. »Nun, da zwei von euch verschwunden sind, muß ich wohl Ersatz für sie auf treiben. Und laßt mich euch versichern, wenn ich für zwei Ersatz finden kann, dann kann ich das auch für sechs.«
Er machte auf dem Absatz kehrt und schritt geschäftig, aber lautlos von dannen.
»Dann würde Omar euch also tatsächlich durch andere Frauen ersetzen?« wollte Dunyazad besorgt wissen.
Scheherazade konnte Dunyazad gut verstehen. In der kurzen Zeit, in der sie sich im Harem aufgehalten hatten, hatten die beiden Schwestern Vertrauen zu diesen Frauen gefaßt. Und wer wußte schon, wen Omar als ihre Nachfolgerinnen auswählen würde und welch undurchsichtige Absichten er damit verband?
Doch die Oberste Dienerin behielt die Fassung. »Ein solches Unterfangen könnte sich als äußerst schwierig erweisen. Denn, wißt Ihr, es gibt gar keinen Ersatz mehr.«
»Im Grunde genommen wurde jede taugliche Frau dieses Königreichs geköpft«, beeilten sich die anderen Dienerinnen zu erklären.
»Nur wir Brautdienerinnen wurden verschont.«
»Wenn man eine Brautdienerin ist, kann man schließlich keine Braut sein.«
»Ihr würdet überrascht sein zu erfahren, wie viele Frauen sich freiwillig als Dienerinnen gemeldet haben.«
»Es gab eine ziemlich lange Warteliste«, stimmte die Älteste zu. »Doch nach einer Weile... nun, ich nehme an, man könnte sagen: ›hakte‹ man die Liste nach und nach ab.«
Die anderen Dienerinnen nickten, und eine nach der anderen fügte hinzu:
»Jetzt wartet überhaupt niemand mehr.«
»Und es gibt überhaupt keine Frauen mehr im richtigen Alter.«
»Aber gebt dem Königreich nur ein oder zwei Jahre, um sich zu erholen, und eine neue Generation wird herangewachsen sein.«
»Ja, Mädchen wird es immer genug geben«, fügte die älteste Dienerin hinzu, und in ihrer Stimme schwang Trauer mit. »Was sollte ein König auch ohne sie anfangen?«
Diese Rede festigte nur noch Scheherazades Entschluß, war sie doch mit dem Ziel ausgezogen, all die anderen Frauen davor zu bewahren, Opfer des Königs zu werden. Und nun sah es ganz danach aus, als wäre der König selbst ein Opfer. Ob er allerdings ein Opfer der geheimnisvollen Sulima oder der unseligen Wünsche seiner eigenen Mutter war, das konnte Scheherazade noch immer nicht sagen.
Nun, so, wie die Dinge jetzt standen, würde sie ihr Bestes geben müssen, um nicht nur die Frauen des Königreichs zu retten, sondern auch den König.
Und für einen winzigen Augenblick fragte sie sich, ob es ihr wohl auch gelingen würde, sich selbst zu retten.
Das 13. der 35 Kapitel,
in dem einige Geheimnisse aufgedeckt
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