Scheherazade macht Geschichten
und verkohlt waren. Die Köchin konnte den Wesir gut verstehen. Der Reim auf ›parat‹ war heute noch schlimmer als der am Tag zuvor.
›Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat‹, fuhr der Wesir fort, ›aber ich glaube, der Sultan sollte sich das selbst ansehen. Ich werde den Fischer daher anweisen, daß er uns vier weitere Fische fangen soll, und wir werden morgen wieder versuchen, sie zu braten.‹
Es geschah, wie der Wesir gesagt hatte, und als die Köchin am anderen Tag erneut einen Fang jener seltsamen Fische zubereitete, waren sowohl der Wesir als auch der Sultan anwesend.
Pflichtbewußt säuberte die Magd den Fisch und briet ihn auf einer Seite in der Pfanne an. Dann atmete sie tief ein, denn sie ahnte, was als nächstes geschehen würde, und begann, die Fische zu wenden.
Im gleichen Augenblick spaltete sich die Wand, doch anstelle der jungen, anmutigen Frau mit dem Zauberstab tauchte ein großer, vierschrötiger Mann auf, dem ein Bad nicht schlecht angestanden hätte. In seiner Hand trug er eine Weidenrute.
›Wer bist du?‹ wollte der Sultan wissen.
›Agnes hat heute ihren freien Tag‹, erklärte der stämmige Mann und wandte sich dann an die Fischpfanne. ›Fische, Fische, seid ihr treu?‹
Und die Fische antworteten dem grobschlächtigen Mann:
Komm zurück, wir sind parat,
Deine Treue lösen wir dir ein,
Doch geben wir den guten Rat,
Stets ehrlich nur zu uns zu sein.
Daraufhin trat der beleibte Mann einen Schritt vor und kippte die Pfanne mit seiner Weidenrute um. Sobald die Fische sicher im Feuer gelandet waren, trat er in sein Loch in der Wand zurück, das sich augenblicklich hinter ihm schloß. ›Äußerst ungewöhnlich‹, meinte der Sultan. ›Was könnte das wohl bedeuten?‹
Vor allem, dachte die Köchin, bedeutet es, daß sie eine Menge hervorragender Fische verloren hatten. Immerhin reimte sich ›Rat‹ schon etwas besser auf ›parat‹ als ›Blutbad‹. Vielleicht kamen die Fische mit der Zeit etwas in Übung.
Doch wie Sultane nun einmal sind, wollte auch dieser unbedingt herausfinden, was hinter diesem immer wiederkehrenden Ritual steckte. Also schickte der Wesir erneut nach dem Fischer, und als dieser im Palast ankam, fragte ihn der Sultan, wo er diese wunderbaren Fische gefangen hätte. Der Fischer erzählte ihnen vom See zwischen den Hügeln und den Bergen, einem Ort, von dem weder der Sultan noch der Wesir jemals zuvor gehört hatten.
›Sag uns, o Fischer‹, verlangte der Sultan, ›liegt dieser See weit von hier?‹
›Nein, er liegt sogar ziemlich nahe‹, antwortete der Fischer, ›keine Stunde von diesem Palast entfernt.‹
Als er das hörte, entschied der Sultan, daß sie diesen Ort augenblicklich aufsuchen würden. Und so stellte der Wesir rasch eine Eskorte zusammen, die den Sultan begleiten sollte.
Gehorsam führte der Fischer die königliche Gesellschaft durch die Stadt und hinter die Hügel zu jenem Platz, an dem der See lag. Und der Sultan und jeder Mann in seinem Gefolge staunten laut über die Klarheit des Wassers und die große Zahl bunter Fische, die darin schwamm.
Dann fragte der Sultan seine Männer, ob einer von ihnen in letzter Zeit hier vorbeigekommen wäre und den See bemerkt hätte. Unter seinem Gefolge befand sich ein Jäger, der erklärte, daß er vor einigen Jahren durch diese Hügel gestreift wäre, aber keinen See gesehen hätte, im Gegenteil. Alles wäre hier trocken und verdorrt gewesen wie in einer Wüste.
›Das alles ist außergewöhnlich«, meinte der Sultan. ›Hinter diesem See voller Überraschungen und voller verzauberter Fische steckt gewiß eine wundervolle Geschichte.‹
Damit fand der Sultan allgemeine Zustimmung, und einig war man sich auch darüber, daß es wenig Zweck hatte, in diesem See noch länger zu fischen, denn wozu waren Fische gut, bei deren Zubereitung andauernd Leute aus den Wänden herausgesprungen kamen und einem das Abendessen verdarben? Also kehrte die Gesellschaft zum Palast zurück, und damit war die Sache für die meisten der Beteiligten erledigt.
Nicht jedoch für den Sultan! Tag und Nacht dachte er nur noch an den See und die seltsamen Fische, denn nie zuvor hatte er Unglaublicheres gesehen. Er wußte, daß er niemals Ruhe finden würde, bevor er nicht hinter das Geheimnis jenes Sees gekommen war. Diese Gedanken teilte er seinem Großwesir mit, und er sagte ihm außerdem, daß er den Palast im Schütze der Nacht und einer Verkleidung verlassen würde. Während seiner Abwesenheit sollte
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