Scheherazade macht Geschichten
und als könne es auch gar nicht anders sein.
Moment mal! War es nicht Omar gewesen, der vom geheimnisvollen Auftauchen jener Frau in Schwarz am meisten beunruhigt gewesen war? Ja, in der Tat, der Bursche hatte sogar ihren Namen geflüstert. Sulima? Doch jetzt stand Omar neben dieser geheimnisvollen Frau hier, und kein Laut, geschweige denn der Name Sulima kam ihm über die Lippen. Sicherlich waren es zwei verschiedene Frauen! Doch warum nur verspürte Scheherazade weiterhin diese Unruhe in sich? Sie sah sich gezwungen, noch eine Frage zu stellen.
»Könnte dein Name vielleicht Sulima lauten?«
Omar runzelte die Stirn, während die Frau in Schwarz einen Schritt zurücktrat. Eine Hand tauchte aus ihren Gewändern auf und winkte in Richtung des fetten Mannes. Sofort kehrte das Lächeln auf Omars Gesicht zurück.
Dann wandte die Frau in Schwarz sich an Scheherazade: »Ihr irrt Euch sicher, o Königin.«
Doch diese eine Handbewegung hatte Scheherazade noch mißtrauischer gemacht. »Ich denke, ich sollte auch Omar diese Frage stellen«, meinte sie daher. »Hast du in letzter Zeit eine Frau mit dem Namen Sulima gesehen?«
»Sulima?« antwortete der dicke Eunuch, und die Falten kehrten auf seine Stirn zurück. »Ich kann mich an diesen Namen nicht erinnern.«
Wie konnte Omar nur einen Namen vergessen, der ihn mit solchem Schrecken erfüllt hatte? überlegte Scheherazade.
»Wir verschwenden Zeit«, warf die Frau in Schwarz mit größerem Nachdruck ein, als er einer einfachen Dienerin eigentlich zustand. »Der König erwartet Euch!«
»Der König?« rief Dunyazad aufgeregt. »Oh, ja! Wir müssen uns unverzüglich vorbereiten!«
Scheherazade sah durch das kunstvolle Gitterwerk, das an den Fenstern des Harems angebracht war, nach draußen und stellte fest, daß die Sonne sich tatsächlich schon recht tief dem Horizont entgegengeneigt hatte. Zumindest darin hatte die neue Dienerin also recht. Scheherazade hatte ihre allabendlichen Pflichten ganz vergessen. Wenn ihr Verdacht gegenüber der Frau in Schwarz unbegründet war, konnten sie deren Hilfe zweifellos gut gebrauchen. Dennoch, der Gedanke, die Hände dieser Frau auf ihrem Körper zu spüren, ließ Scheherazade einen eisigen Schauder den Rücken hinunterlaufen. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, wie sie ihre Entscheidung hinauszögern konnte.
»Nun gut«, wandte sie sich an die Frau in Schwarz. »Ich werde es meinen beiden Dienerinnen gestatten, dich in die nötigen Arbeiten einzuweisen, während meine Schwester und ich uns selbst baden. Für den Augenblick jedoch mußtdu dich noch gedulden und darfst nur zuschauen!«
Aus Omars Kehle rang sich ein Laut, der sich anhörte, als erwürge jemand eine Nachtigall. »Niemand hat hier Zeit, einfach nur zuzuschauen! Ihr habt bloß noch Augenblicke, Euch vorzubereiten. Beeilung! Beeilung!«
»Wir werden uns anstrengen«, fügte die älteste Dienerin hinzu, »aber noch lastet schwer die Gram auf uns.«
»Ach«, stimmte Dunyazad zu, »Omar hat recht. Es gibt noch viel zu tun. Die neue Dienerin muß mit anpacken.«
Zum ersten Mal, seit sie aufgetaucht war, lächelte die Frau in Schwarz. »Ich bin sehr bewandert in der Kunst der Schönheitspflege. Ihr werdet sehr zufrieden und überrascht sein.«
Scheherazade wollte noch weitere Einwürfe vorbringen, aber ihre Zeit war wirklich sehr knapp, und außerdem ließ sich ihr Verdacht gegen diese Frau durch nichts beweisen. Und bevor sie noch etwas sagen konnte, ergriff ihre Schwester das Wort.
»Nun gut«, meinte Dunyazad. »Dann soll die Neue mir behilflich sein, während die beiden anderen Dienerinnen sich um die Königin kümmern!«
Und so kam es, daß sich trotz Scheherazades Bedenken alle drei Dienerinnen an die Arbeit machten. Und da ihre Zeit äußerst beschränkt war, mußten sie sich sehr beeilen. Die beiden Frauen, die Scheherazade zur Seite standen, waren jedoch so geübt, daß die Königin überrascht war, als sie in den Spiegel sah: Alles war, wie es sein sollte, ihre Kleider saßen richtig, jeder Strich mit den Schminkfarben war, wie er sein sollte, und die Juwelen, die in ihr Haar geflochten waren, bildeten ein Muster, wie sie es schöner nie zuvor getragen hatte.
Scheherazades Befriedigung, die sie beim Betrachten ihres Spiegelbildes empfand, wurde noch einmal so tief, als sie einen Blick auf Dunyazad warf. Denn ihre jüngere Schwester strahlte geradezu vor Schönheit. Selbst das Gold und die Juwelen, mit denen sie geschmückt war, verblaßten im Vergleich zu
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