Scheinbar verliebt
das ist meine Mutter. Esther.“
„Hallo“, sagte Lucy freundlich. Dann kramte sie in ihrer Tasche nach dem Malbuch und den Stiften, die sie für Carlos gekauft hatte.
Esther Hernandez erhob sich. „Sie helfen meiner Tochter“, sagte sie mit dem Englischen kämpfend. „Danke.“
„Das tue ich gerne. Wir kümmern uns um sie.“
„Mom kommt jeden Morgen, wenn ich keine Zeit habe“, sagte Marinell. „Aber manchmal findet sie keine Mitfahrgelegenheit.“
Marinell redete in feurigem Spanisch mit ihrer Mutter und Lucy setzte sich zu dem kleinen Carlos.
„Ich habe meiner Mutter erklärt, dass sie bei Carlos nun mit der Dialyse anfangen“, sagte Marinell zu Lucy. „Zweimal die Woche. Es dauert immer ziemlich lange und dann wird ihm langweilig. Ihr Malbuch ist genau das Richtige für meinen Bruder.“
„Ich gehe jetzt“, sagte Esther mit besorgtem Blick in Richtung ihres Sohnes. „Sei tapfer und tu, was die Ärzte dir sagen.“
„Nein“, jammerte Carlos. „Du hast gesagt, du würdest bleiben. Warum kommst du nicht her, wenn Papa da ist?“
Die Augen der Frau wurden groß und sie redete auf Spanisch auf ihren Sohn ein. Der Junge ließ den Kopf hängen und seine Unterlippe zuckte.
Esther küsste ihn sanft. „Ich komme später wieder.“
Marinell umarmte ihren Bruder. „Sag Mama auf Wiedersehen.“
Esther wandte sich noch zweimal um, bevor sie den Raum endgültig verließ.
Die Traurigkeit in diesem Zimmer war mit Händen zu greifen. Carlos drückte den Kopf in sein Kissen und schluchzte leise.
Marinell streichelte beruhigend über seinen Dinosaurierpyjama. „Alles ist gut, mi hermano , mein Bruder. Sie kommt bald wieder.“ Sie warf Lucy einen Blick zu.
„Und Papi? Kommt er heute auch noch?“
„Ja, Marinell“, sagte Lucy. „Wird dein Vater heute Nacht hier erscheinen?“
* * *
Lucy wartete, bis Marinell und sie wieder im Auto saßen, bevor sie mit der Befragung anfing. „Also, willst du mir erklären, warum du dich nachts mit deinem Vater im Krankenhaus triffst?“
„Das habe ich nicht. Carlos meinte nicht seinen Vater. Er ist durcheinander.“
Verwirrung darüber, wer der eigene Vater war, erschien Lucy momentan gar nicht so abwegig. Trotzdem ließ sie sich nicht auf Marinells Ausreden ein. „Marinell, ich mache diesen Job schon eine ganze Weile und habe das alles schon mal gehört.“ Sie ergriff die Hand des Mädchens. „Du kannst mir vertrauen.“
Marinell schnallte sich an und sah aus dem Fenster. „Es ist kompliziert.“
„Der Mann, von dem ich immer dachte, er sei mein Vater, ist jetzt eine Frau. Versuch es.“
„Mein Vater lebt … irgendwo anders. Er ist in Mexiko aufgewachsen und früh in eine Gang eingetreten. Er ist schnell aufgestiegen, doch dann hat er meine Mutter kennengelernt. Die Gang wollte ihn aber nicht gehen lassen.“
„Eine Drogengang?“
„Ja. Schreckliche Typen. Bevor ich geboren wurde, sind meine Eltern nach Texas ausgewandert. Aber die Gang hat meinen Vater gefunden. Seitdem ist er auf der Flucht.“
„So wie du.“
„Wir wissen, dass sie immer noch da draußen sind und es gefährlich für ihn ist, in unsere Nähe zu kommen. Die letzten Jahre waren am schlimmsten und er konnte uns nicht oft sehen. Er kann uns kein Geld schicken, weil sie ihm sonst auf die Spur kommen könnten. Meine Mutter hat alles getan, was sie konnte, aber seit mein Bruder krank ist, reicht das Geld vorne und hinten nicht mehr. Deshalb sind wir ihr weggenommen worden. Seitdem ist alles schrecklich.“
„Also kommt dein Vater manchmal und besucht deinen Bruder hier?“
„Er war erst zweimal da. Manchmal gehe ich ins Krankenhaus für den Fall, dass er wieder auftaucht.“
„Was kann ich tun, um dir zu helfen?“
Marinell wandte sich in ihrem Sitz um, eine Jugendliche, deren Welt in Trümmer zu fallen drohte. „Lassen Sie bitte meinen kleinen Bruder nicht sterben.“
* * *
„Einkaufen.“ Julian klatschte in die Hände, während es hinter den Fenstern der Limousine Nachmittag wurde. „Das wird so lustig.“
„Hoffen wir es“, murmelte Lucy. „Lasst uns einfach schnell machen, bitte.“
„Quatsch.“ Clare schnalzte. „Alex will, dass wir dir ein ganz zauberhaftes Kleid für Freitag besorgen und das werden wir auch. Auf meine Art.“
„Ich finde immer noch, dass mein rotes Kleid es auch getan hätte“, gab Lucy zu bedenken.
„Das ist ein Kleid für das Land“, schnappte Clare. „Du brauchst ein Kleid für das Wasser.“
„Ausgerechnet die habe
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