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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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und verglichen mit dem, was er hier schon erlebt hatte, war der Anblick dieses Opfers nicht besonders schockierend. Er sah nur eine einzelne Einschusswunde in der linken Wange; davon abgesehen war das Gesicht des Toten unversehrt. Der Mann war zwischen dreißig und vierzig, er hatte eine gepflegte dunkle Kurzhaarfrisur und kräftige Kiefermuskeln. Seine braunen Augen, die wegen der halb geöffneten Lider der Luft ausgesetzt gewesen waren, hatten sich bereits getrübt. Ein Namensschild mit der Aufschrift PERRIN war an der Brusttasche seiner Uniform befestigt. Was Gabriel am meisten beunruhigte, als er die Leiche auf dem Seziertisch betrachtete, war nicht das Blut, und es waren auch nicht die blicklosen Augen; es war das Wissen, dass dieselbe Waffe, die diesen Mann getötet hatte, in diesem Moment auch Janes Leben bedrohte.
    »Wir haben auf Sie gewartet«, sagte Dr. Abe Bristol. »Maura meinte, Sie würden sicher gerne von Anfang an dabei sein.«
    Gabriel sah Maura an. Sie trug Schutzkleidung und Maske, stand aber am Fußende des Tisches und nicht an ihrem üblichen Platz zur Rechten des Leichnams. Wenn er in der Vergangenheit diesen Sektionssaal betreten hatte, war es immer sie gewesen, die den Ton angegeben und das Skalpell geführt hatte. Dass sie hier, in ihrem eigenen Reich, einem anderen das Kommando überließ, war ungewohnt für ihn. »Du obduzierst nicht selbst?«, fragte er.
    »Das darf ich nicht. Ich war beim Tod dieses Mannes zugegen und bin deshalb eine Zeugin«, erwiderte Maura. »Abe muss diese Obduktion übernehmen.«
    »Und ihr habt immer noch keine Ahnung, wer der Mann ist?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es gibt keinen Klinikangestellten mit Namen Perrin. Und der Chef des Sicherheitsdienstes war hier, um sich den Toten anzusehen. Er kennt den Mann nicht.«
    »Fingerabdrücke?«
    »Wir haben seine Abdrücke an AFIS geschickt. Bis jetzt haben wir noch nichts gehört. Und die Fingerabdrücke der Täterin scheinen auch nicht registriert zu sein.«
    »Wir haben es also mit zwei Unbekannten zu tun?«
    Gabriel starrte den Toten an. »Wer zum Teufel sind die beiden?«
    »Ziehen wir ihn mal aus«, sagte Abe zu Yoshima.
    Die beiden Männer befreiten den Toten von Schuhen und Socken, schnallten seinen Gürtel auf, zogen ihm die Hose aus und legten alle Kleidungsstücke auf ein sauberes Tuch. Mit behandschuhten Händen durchsuchte Abe die Hosentaschen, fand sie jedoch leer. Kein Kamm, keine Brieftasche, keine Schlüssel. »Nicht mal ein bisschen Kleingeld«, stellte er fest.
    »Man sollte doch annehmen, dass er wenigstens ein paar Münzen dabeihatte«, sagte Yoshima.
    »Diese Taschen sind jedenfalls leer.« Abe blickte auf.
    »Eine nagelneue Uniform?«
    Sie wandten ihre Aufmerksamkeit dem Hemd zu. Der Stoff war steif von getrocknetem Blut, und sie mussten ihn vorsichtig von der Haut abstreifen. Eine muskulöse, dicht behaarte Brust kam darunter zum Vorschein. Und Narben. Eine davon, dick wie ein Tau, verlief unter der rechten Brustwarze schräg nach oben; eine zweite zog sich diagonal von der Bauchmitte zur linken Hüfte hinunter.
    »Das sind keine Operationsnarben«, sagte Maura, die alles von ihrem Platz am Fußende des Tisches aus beobachtete, und runzelte die Stirn.
    »Ich schätze, unser Freund hier ist irgendwann mal in eine ziemlich üble Messerstecherei geraten«, bemerkte Abe. »Sieht mir nach alten Stichverletzungen aus.«
    »Sollen wir die Ärmel abschneiden?«, fragte Yoshima.
    »Nein, wir kriegen sie auch so runter. Drehen wir ihn erst einmal um.«
    Sie wälzten den Leichnam auf die linke Seite, um den Ärmel vom Arm ziehen zu können. Als Yoshimas Blick auf den Rücken des Toten fiel, rief er: »Augenblick mal. Das müssen Sie sich ansehen.«
    Die Tätowierung bedeckte das ganze linke Schulterblatt. Maura beugte sich vor, um einen Blick darauf zu werfen, und schien vor der Zeichnung zurückzuschrecken, als wäre es ein lebendes Wesen, als könnte der giftige Stachel jeden Moment zustechen. Der Panzer war leuchtend blau. Zwei Fangarme mit Scheren reckten sich zum Nacken des Mannes hinauf. Der zusammengerollte Schwanz umschloss die Zahl 13.
    »Ein Skorpion«, sagte Maura leise.
    »Ein ziemlich eindrucksvolles Fleischetikett«, sagte Yoshima.
    Maura sah ihn stirnrunzelnd an. »Was?«
    »So haben wir das beim Militär genannt. Ich habe da ein paar wahre Kunstwerke zu Gesicht bekommen, als ich in der Leichenhallen-Einheit gedient habe. Kobras, Taranteln. Einer hatte sich den Namen seiner Freundin auf

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