Scheisskerle - Warum es immer die Falschen sind
an seine Geschichten glaubt und sie folglich auch sehr glaubwürdig vorträgt. Er pendelt in seinem Krankheitsbild zwischen Neurose und Psychose. Solange seine Frauen sich nicht untereinander verständigen, ist er deshalb kaum zu entdecken. Seine Kunst besteht darin, einen perfekten Tagesablauf zu präsentieren. Es stimmt alles, aber eben nur teilweise. »Mut zur Lücke« ist dabei sein Motto, wobei er immer wieder Anker in seinen Abläufen findet, die belegen sollen und können, dass er die Wahrheit sagt. Er hält sich nachprüfbar an angekündigten Orten auf, lässt wie zufällig eine Rechnung aus dem in schöner Offenheit genannten Restaurant auf dem Tisch liegen, die keinen Zweifel an seiner Aufrichtigkeit lässt. Seine Kunst besteht darin, die Zwischenräume seiner Tagesabläufe so geschickt zu planen und auszufüllen, dass man ihn nicht greifen kann. Den besten Freund als Ausrede hat er nicht nötig. Sein Spiel funktioniert wie bei einem Schachwettbewerb, viel ausgeklügelter als bei einem Betrüger und bestens durchdacht.
Zudem profitiert ein Serientäter davon, dass seineFrauen ihn nicht hinterfragen, sie wollen gar nicht so genau wissen, was bei und mit ihm eigentlich los ist, und geben sich mit Halbwahrheiten zufrieden. Auf detaillierte Nachfragen über Unstimmigkeiten in seinem Alltagsgeflecht wird er sichere und zutreffende Antworten geben können. Wenn die Beziehung allerdings durch das Misstrauen einer Partnerin eskaliert, zieht der Serientäter alle Register. Sie wird umgehend zur »Hauptfrau«, er wendet alle Energie auf, um sie auf der »Treppe« zu halten. Er wird versuchen, ihr perfekte Erklärungen zu geben, und vor allem verdeutlichen, die Probleme lägen allein bei ihr. Eine gefährliche Falle ist das besonders für Frauen, die sich Männern gegenüber zurücknehmen und auch Demütigungen hinnehmen, statt sich wirkungsvoll zu wehren. Es beginnt ein Psychospiel, bei dem der Serientäter versucht, seiner Partnerin zu erklären, sie läge mit ihren Vermutungen absolut falsch und bilde sich Hirngespinste ein, sie würde »spinnen« oder wäre schlicht »verrückt«. Er wird ausschließlich jene Vorfälle zugeben, die eindeutig geklärt sind. Alles andere wird – auch wenn es noch so absurd scheint – geleugnet. Ein Serientäter bringt ein enormes Geschick darin auf, selbst die harten Fakten zu verdrehen, zu leugnen und eine angenehmere Wahrheit zu erfinden. Leider nehmen die meisten Frauen diese »Wahrheit« nur allzu gern an, da sie eines hoffen: »Kann es nicht einfach so schön sein wie früher?«
Frauen werden von einem Serientäter also in eine Zwickmühle gelockt: Erstens wollen sie selbst nicht glauben, was sie vermuten, zweitens werden sie von ihremMann sehr bewusst darin unterstützt, dass ihnen ihre Vorwürfe als absurd und in ihrer Massivität kaum glaubhaft erscheinen. Tatsächlich meinen deshalb nicht wenige dann, der Fehler läge bei ihnen selbst, vor allem weil auch Freunde und Freundinnen das bestätigen. Schließlich war er an dem und dem Tag hier oder dort. Auf die ungeheuren Vermutungen der Partnerin eines Serientäters reagiert der Freundeskreis deshalb oft mit dem Satz: »Ich finde, jetzt übertreibst du wirklich.« Dabei haben die Partnerinnen mit ihrem Instinkt meistens vollkommen recht, und darüber hinaus ist die Wahrheit dann oft noch viel schlimmer. Dennoch ist das Eingeständnis dieser Wahrheit schwierig, schließlich vertraut man sich, man liebt sich, und man kennt seinen Partner doch so gut. »Das kann nicht sein«, rechtfertigt die Partnerin eines Serientäters ihn deshalb dann möglicherweise auch noch gegenüber Freunden und Kollegen, die auf das Problem hinweisen. Die Ausgrenzung aus dem eigenen sozialen Umfeld beginnt, und da sie sich mit ihrem engeren Freundeskreis überwirft, stürzt sie nun auch noch weiter in die Abhängigkeit von einem Partner, der es nicht ist. Das Opfer ist also nicht ohne Schuld. Alfred Hitchkock nennt das in seinem Meisterwerk Marnie (mit Tippi Hedren und Sean Connery) die »fetischistische Liebe«.
Das nicht Fassbare, das Mysteriöse, löst förmlich einen Sog aus, dem sich das Opfer nicht entziehen kann. Im Zentrum des Problemkomplexes steht dabei die Frage, ob die fortwährende Erniedrigung nicht eine bewusste oder unbewusste Quelle an masochistischer Lust ansprichtund deshalb so schwer zu identifizieren beziehungsweise abzustellen ist. Die Diskussion von submissiver oder gar masochistischer Lust im Kontext des
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