Schenk mir dein Herz, keine Diamanten
fühlte sich wohl in der Gesellschaft seines neu gewonnenen Freundes, während sie sich verzweifelt fragte, wie das Schicksal so grausam zu ihr sein konnte.
Sie schaute aus dem Fenster und stellte fest, dass sie bereits in Bowesmartin angekommen waren. Jed musste an einer roten Ampel anhalten, direkt vor dem Krankenhaus, und dann drang Bens Stimme fröhlich plappernd in ihre Gedanken.
„Dort haben sie mir den Gips gemacht, als ich mir den Arm gebrochen hatte. Der Arzt hat gesagt, dass ich sehr mutig bin, weil ich überhaupt nicht geweint habe“, erzählte ihr Sohn stolz. „Da hat Mum mich auch auf die Welt gebracht. Ich bin ein Wunder, sagen sie. Weil ich nämlich noch ein Zwillingsgeschwister hatte, aber das ist gestorben, bevor ich geboren wurde.“
Phoebe schloss entsetzt die Augen. Warum nur hatte sie die Ratschläge in den Kinderbüchern befolgt, die sagten, man solle seinem Kind immer die Wahrheit erzählen?!
„Das ist ja eine tolle Geschichte, Ben“, hörte sie Jed sagen, und dann hielt sein scharfer Blick im Rückspiegel sie gefangen. „Kindermund, nicht wahr, Phoebe?“ Das kalte Glitzern seiner dunklen Augen ließ sie erschauern.
„Ich bin aber kein Kind mehr, ich bin nämlich schon fast fünf Jahre alt.“ Bens empörter Protest ersparte Phoebe eine Erwiderung.
Mit leerem Blick starrte sie aus dem Fenster. Ja, es war ein Wunder, dass Ben lebte. Ihre Gedanken wanderten zurück zu jener Zeit …
Fast zwei Monate hatte sie schon wieder bei Tante Jemma gelebt, bevor sie dieser von ihrer Beziehung zu Jed und ihrer Fehlgeburt erzählte. Ihr blieb nichts anderes übrig, denn eine Woche zuvor hatte sie ihren Hausarzt aufgesucht, weil sie ein seltsames Druckgefühl im Leib verspürte und insgeheim befürchtete, dass sie London vielleicht zu übereilt verlassen hatte, ohne die Nachbehandlung wahrzunehmen. Zwar berichtete sie von der Fehlgeburt und nannte Dr. Normans Namen, doch weder erwähnte sie Jed noch Dr. Marcus.
Sie erinnerte sich noch sehr gut an das fassungslose Erstaunen, als der Arzt ihr nach der Untersuchung eröffnete, dass sie in der neunzehnten Woche schwanger sei. Er würde noch einen Termin für eine Ultraschalluntersuchung im Krankenhaus für sie vereinbaren, doch sie solle sich keine Sorgen machen, alles sei in bester Ordnung. Es komme nur sehr selten vor, hatte er zu ihr gesagt, aber sie müsse mit Zwillingen schwanger gewesen sein und hatte nur eines der Babys verloren.
5. KAPITEL
Heute war Phoebe unendlich froh, dass sie damals nicht zur Nachbehandlung bei Dr. Marcus gegangen war. Leise schloss sie die Tür von Bens Zimmer. Ihr unschuldiger kleiner Junge schlief tief und fest nach all der Aufregung. Sie dagegen würde heute wohl so schnell keinen Schlaf finden. Jeds Androhung hallte noch immer in ihren Ohren nach.
Als sie vorhin zum Cottage zurückgekommen waren, hatte Ben sich für die Fahrt bedankt und dann noch hinzugefügt: „Das ist ein super Auto, aber Onkel Julians Auto mag ich lieber. Seines ist nämlich feuerrot.“
Erfolglos hatte Phoebe versucht, sich das Grinsen über den pikierten Ausdruck auf Jeds Miene zu verkneifen.
„So, rot gefällt dir also besser, und du magst Onkel Julian?“
„Ja. Er ist mein Freund – und Mums. Genau wie du“, hatte Ben fröhlich geantwortet, während sie den Pfad entlang auf die Haustür zugingen.
Dann war Phoebe das Grinsen allerdings vergangen, als Jed sich leise an sie wandte: „Wen interessiert schon Onkel Julian! Ich komme zurück, und dann solltest du besser Antworten für mich parat haben.“
Sich schon jetzt wegen Jeds Drohung nervös zu machen, war unsinnig. Dennoch brauchte sie dringend eine beruhigende Tasse Tee …
Lautlos stieg sie die Treppe hinunter und ging in die Küche, setzte den Wasserkessel auf und holte eine Tasse aus dem Schrank. Auf dem großen Becher stand „Die beste Mum der Welt“. Sie musste lächeln, als sie an das letzte Weihnachtsfest zurückdachte. Ben hatte die Tasse für sie ausgesucht, natürlich mit Tante Jemmas Hilfe, und die Inschrift auf dem weißen Porzellan kam jetzt genau richtig. Sie würde Jed Sabbides unmissverständlich klarmachen, dass sie eine großartige Mum war, und ihn seiner Wege schicken.
Mit dem dampfenden Becher ging Phoebe ins Wohnzimmer und machte es sich auf dem breiten Sofa beim offenen Kamin gemütlich. Sie überlegte, ob sie das Feuer anzünden sollte, entschied sich aber dagegen, weil es schon so spät war. Also schaltete sie den Fernseher ein und zappte durch
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