Schenk mir dein Herz, keine Diamanten
das Haar, nickte Phoebe knapp zu und verließ den Raum.
11. KAPITEL
Phoebe stieg die breite Treppe hinunter. Im Haus war alles still, geradezu unheimlich. Ben schlief tief und fest, schon zweimal war sie nachsehen gegangen. Sie schaute auf ihre Armbanduhr. Halb elf, doch sie war viel zu rastlos, um zu Bett zu gehen. Bei der Führung durchs Haus war ihr in einem der Zimmer ein Fernseher aufgefallen. Sicherlich würde sich irgendein Programm finden lassen, das sie sich anschauen konnte. Dummerweise wusste sie nicht mehr, in welchem Raum sie das Gerät gesehen hatte. Sie öffnete eine Tür – das Esszimmer. Nein, hier nicht. Dann die nächste Tür … Eine Tischlampe brannte, verbreitete schwaches Licht. Das Arbeitszimmer.
„Komm und nimm einen Drink mit mir“, drang plötzlich eine tiefe Stimme zu ihr. Jed lag auf einem breiten schwarzen Ledersofa ausgestreckt, ein Glas in der Hand. „Ich kann Gesellschaft gebrauchen.“
„Nein, ich … Ist alles in Ordnung mit dir?“ Sie machte sich Sorgen. Hörte er sich etwa betrunken an?
„Das weiß ich erst morgen.“
Phoebe fühlte sich schrecklich. Sie war so mit den eigenen Sorgen beschäftigt gewesen, so sehr mit den eigenen Gefühlen, dass sie nie daran gedacht hatte, welche Sorgen sich Jed wegen seines Vaters machen musste. Die ersten achtundvierzig Stunden nach dem Infarkt waren entscheidend, und die Hälfte der Zeit war vergangen. Als sie das Krankenhaus verlassen hatten, da hatte er auf seinen Vater geschimpft, aber sie hatte auch gesehen, wie er sich um seinen Vater gesorgt hatte. Nein, Jed war nicht der gefühllose Zombie, für den sie ihn gehalten hatte – zumindest nicht, was seinen Vater betraf.
Ihr weiches Herz fühlte mit ihm, zögernd ging sie auf ihn zu. „Ich wusste nicht, dass du wieder zurück bist“, murmelte sie und blieb vor ihm stehen. Seine Jacke hatte er über die Armlehne gelegt, die Krawatte gelockert, die obersten Knöpfe seines Hemdes geöffnet. Er war ganz arrogante Männlichkeit … und doch sah er so einsam aus.
Sie setzte sich neben ihn. „Jed?“ Er hob den Kopf und sah sie an. „Ich weiß, wie du dich fühlst, aber Alkohol hilft nicht.“
„Du kannst nicht wissen, wie ich mich fühle.“ Er trank den Whisky in einem Zug leer, stellte das Glas ab und legte sich wieder auf das Sofa zurück.
„Doch, ich weiß es.“ Tröstend berührte sie seinen Arm. „Als meine Eltern verunglückten, starb meine Mutter noch am Unfallort. Ich hatte nie die Chance, ihr zu sagen, wie sehr ich sie liebe. Mein Vater lebte noch eine Woche. Es war schrecklich, mit ansehen zu müssen, wie er immer mehr in sich zusammenfiel und man nichts mehr für ihn tun konnte. Aber von ihm konnte ich mich noch verabschieden, konnte ihm sagen, was ich für ihn fühlte, konnte ihm danken, dass er für mich da gewesen war. Vielleicht geht alles gut, und deinem Vater bleiben noch viele Jahre. Doch falls nicht … noch ist er hier. Ich weiß, du liebst ihn. Das solltest du ihn wissen lassen. Dann wirst du dich auch besser fühlen.“
„Ah, Phoebe“, sagte er leise und legte den Arm um ihre Schultern, um sie an sich zu ziehen. Sie hatte ein so weiches Herz, war so typisch weiblich und gefühlsbetont. Fast bereute er, was er vorhatte. „Ich danke dir für deine Sorge, aber das ist unnötig.“ Mit einem Finger strich er über ihre Wange, an ihrem Hals entlang, hinunter zu ihrem Schlüsselbein. Er hörte ihr leises Nach-Luft-Schnappen und kämpfte gegen die Versuchung an, den Mund auf ihre Lippen zu pressen und sich daszu nehmen, von dem er wusste, dass es ihm gehörte. Doch das hatte er schon am Freitag getan und sie damit verschreckt. Das Risiko würde er nicht eingehen. Alle Teilchen fielen langsam an ihren vorbestimmten Platz. Zeit war der wichtigste Faktor. Er konnte noch einen Tag warten …
„Was ich über meinen Vater gesagt habe, war Ausdruck von Bewunderung, nicht von Ärger“, fuhr er fort. „Er weiß, was ich für ihn fühle. Wir haben uns längst ausgesprochen, nach der Scheidung von seiner letzten Ehefrau. Er hat mir erklärt, warum er so oft geheiratet hat – weil er meine Mutter geliebt und angebetet hat. Die beiden waren seelenverwandt. Als sie erfuhr, dass sie unheilbar krank war und sterben würde, hat sie ihm das Versprechen abgenommen, dass er wieder heiraten würde. Er sollte kein Mann werden, der ohne Respekt für die Frauen nur mit ihnen schlief. Das Versprechen hat mein Vater gehalten, der alberne Narr“, meinte er trocken.
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