Schenk mir deinen Atem, Engel ...
aus der Bahn und hinderte ihn daran, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
Mit einem ärgerlichen Stirnrunzeln wandte er sich vom Lift ab, überquerte den Flur und stieß die Tür zum Treppenhaus auf. Hier war es dunkel, und die Luft roch muffig und abgestanden. Jake hielt sich nicht damit auf, nach dem Lichtschalter zu tasten – er konnte sich dank seiner den Menschen deutlich überlegenen Sinne auch in absoluter Finsternis bewegen. Das war eine der wenigen Fähigkeiten, die ihm nach seiner Verbannung noch geblieben waren.
Mehrere Stufen auf einmal nehmend, eilte er die Treppe hinunter, bis er im Erdgeschoss angelangt war. Als er gerade die schwere Stahltür aufstieß, verspürte er plötzlich einen Stich, der ihm durch Mark und Bein ging.
Stöhnend krümmte er sich. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn, und sein Herz hämmerte wie wild.
Was in aller Welt …?
Da erkannte er, dass es nicht seine eigenen Gefühle waren, und seine Augen weiteten sich in stillem Schock.
Faith!
Er schüttelte den Schmerz ab, der wie eine dumpfe Erinnerung über ihm hing. Rennend durchquerte er die Eingangshalle, stieß die gläserne Schwingtür auf und stürzte ins Freie.
Noch war nichts zu sehen, aber war da nicht ein Heulen gewesen? Ein Heulen wie das eines … Wolfes?
Suchend blickte Jake sich um. Es war ein Vorteil, dass ihm die Dunkelheit dabei keine großen Schwierigkeiten machte. Der Vorplatz des Krankenhauses war menschenleer. Nirgendwo konnte er etwas Verdächtiges sehen.
Wo, um Himmels willen, steckte sie?
Da war es wieder! Ein Heulen! Gleich darauf ein erstickter Schrei. Jake wirbelte herum und lief los. Er hechtete über die niedrige Hecke, die den Eingangsbereich von den Parkplätzen abgrenzte. Der Schrei war von hier erklungen, aber er konnte Faith nirgends entdecken.
Fieberhaft suchte er den Parkplatz ab, doch zwischen all den abgestellten Fahrzeugen gab es Dutzende – Hunderte! – von Versteckmöglichkeiten.
„Faith“, rief er. „Faith, wo steckst du?“
Hinter einem geparkten Ford ganz in der Nähe erklang ein gedämpftes Keuchen, und Jake sprintete sofort los. Er umrundete den Wagen und blieb wie angewurzelt stehen, als er Faith erblickte.
Sie – und die Kreatur, von der sie im Würgegriff gehalten wurde.
Ein Werwolf!
7. KAPITEL
Faith spürte, wie ihr die Luft wegblieb.
Schuld daran war nicht nur der Arm dieses … Monsters , der sich unerträglich fest um ihren Brustkorb gelegt hatte und erbarmungslos immer weiter zudrückte, nein, es lag vor allem am Entsetzen darüber, was hier geschah.
Faith schluckte. Als sie aus dem Krankenhaus gestürmt war, hatte sie nur eines im Sinn gehabt: Sie wollte fort. Fort von diesem Ort, fort von Jake.
Jake, der ihr Dinge erzählt hatte, die sie nicht hören wollte, und der von ihr verlangte, dass sie mit ihm kam.
Jake, den sie eigentlich überhaupt nicht kannte und von dem sie sich trotzdem so sehr angezogen fühlte, dass es beinahe schmerzte.
Dann war sie hier draußen diesem schrecklichen Wesen in die Arme gelaufen, und nun wünschte sie sich nichts mehr, als einfach nur bei Jake geblieben zu sein.
Bei Jake, der einzigen Person, bei der sie sich absolut sicher und geborgen fühlen konnte.
Sie wusste nicht, was für ein Monster es war, mit dem sie es zu tun hatte. Ohnehin konnte sie kaum einen klaren Gedanken fassen. Viel zu sehr war sie damit beschäftigt, sich klarzumachen, dass sie das, was hier passierte, nicht träumte. Es war kein schlimmer Albtraum, sondern die Realität. Eine Realität, von der sie nie geglaubt hatte, dass es sie geben könnte. Lieber Himmel, was war denn plötzlich los? Seit sie in Brighton angekommen war, hatte sie es plötzlich mit Wesen zu tun, von deren Existenz sie nicht einmal etwas geahnt hatte. Engel … Monster … Was kam denn noch alles?
Der Griff, mit dem die Kreatur sie umfasste, war unsagbar hart. Wäre der Arm dieses Wesens nicht mit Fell überzogen gewesen, hätte sie ihn am ehesten mit einer Eisenklammer verglichen. Aber so …
Plötzlich stieß das Monster ein lang gezogenes Heulen aus. Es hörte sich an wie … ja, wie das Heulen eines Wolfes.
Plötzlich wurde Faith alles klar. Natürlich! Dieses Wesen, das sie vorhin nur kurz von vorne gesehen hatte, sah aus wie ein Wolf in Menschenform. Sie kannte solche Geschöpfe aus Fernsehfilmen und Büchern.
Ein Werwolf! Ich werde von einem Werwolf festgehalten!
Sie spürte, wie der Werwolf … diese Bestie , halb Mensch, halb Wolf, unruhig wurde, und
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