Schenk mir deinen Atem, Engel ...
Seele erzählt.“ Als Faith nickte, sprach er weiter. „Die Prophezeiung sagt, dass ein ganz besonderer Mensch kommen und alles in die richtige Richtung lenken wird. Eine Art Prophet, dem alle glauben und vertrauen werden. Er bringt der Erde den Frieden – sofern er die Gelegenheit dazu erhält.“
Faith runzelte die Stirn. „Was meinst du damit? Sofern er die Gelegenheit erhält?“
„Ich meine damit, dass die dunkle Seite diese Prophezeiung ebenfalls kennt und alles in ihrer Macht Stehende unternehmen wird, um zu verhindern, dass sie sich erfüllt. Es wäre ihr Ende, verstehst du? Wenn die Menschheit auf den rechten Weg zurückgeführt würde, wenn es keine Kriege mehr gäbe, keine Morde, keinen Hass …“
„Dann wäre die Hölle praktisch arbeitslos“, vollendete Faith seinen Satz mit ihren Worten. Sie schüttelte den Kopf. Das war alles so schrecklich absurd. Himmel, Hölle, Engel und Dämonen – das waren alles Dinge, mit denen sie sich nie zuvor beschäftigt hatte, ganz einfach, weil sie nicht daran glaubte. Nicht daran geglaubt hatte .
Denn inzwischen hatte sie zu viel gesehen und erlebt, um ihre Existenz noch anzweifeln zu können.
Trotzdem erschien es ihr immer noch vollkommen absurd, dass ausgerechnet sie etwas damit zu tun haben sollte. Sie war doch nur Faith Moningham. In ihrem Leben hatte es bisher nichts gegeben, was sie auch nur ansatzweise besonders gemacht hätte – von ihrer Krankheit vielleicht einmal abgesehen. Und doch schien Jake fest daran zu glauben, dass sie die Person war, nach der er suchte.
Die reine Seele.
Es erschien ihr so vollkommen widersinnig.
Jake sah, dass Faith mit sich kämpfte.
Er wünschte, ihr irgendwie helfen zu können. Aber Empathie war noch nie seine große Stärke gewesen. Zudem irritierte es ihn, dass er überhaupt einen solchen Wunsch verspürte.
Wie lange willst du noch versuchen, dir vorzumachen, dass sie dir nichts bedeutet?
Er runzelte die Stirn. Es stimmte, er empfand mehr für Faith, als er je für irgendeinen anderen seiner Schützlinge empfunden hatte. Ständig verspürte er den Drang, sie zu trösten, für sie da zu sein. Doch er verstand nicht, was das zu bedeuten hatte. Warum fühlte er plötzlich so? Was machte Faith so besonders?
Er musterte sie eindringlich, um die Quelle dessen zu erforschen, was im Augenblick mit ihm geschah. Es war jedoch zwecklos. Er fragte sich, ob er dieses Rätsel wohl jemals ergründen würde. Und als ihm klar wurde, dass er Faith früher oder später den Angeli übergeben musste, wurde ihm plötzlich kalt.
Es war so absurd! Sie mochte die reine Seele sein, trotzdem war sie immer noch ein Mensch. Und damit genauso falsch und verlogen, so blutdürstig und rachsüchtig und voller Hass wie all die anderen – oder nicht?
Inzwischen war er sich da gar nicht mehr so sicher. Und zwar nicht nur, soweit es Faith betraf.
Hatte er zu früh den Stab über die Menschen gebrochen? Gab es nicht doch ein paar Dinge, die sie liebenswert, vielleicht sogar beschützenswert machten?
Irgendeinen Grund musste es schließlich dafür geben, dass der Allmächtige in all seiner Weisheit sich so viel Mühe gab, diese seine Geschöpfe vor der Verdammnis zu bewahren. Wie konnte es Jake da wagen, so hart über die Menschen zu urteilen?
Verwirrt fuhr er sich mit einer Hand durchs Haar. Diese seltsamen Gedanken waren ihm vollkommen fremd. Über hundert Jahre lebte er nun schon unter den Menschen, ohne jemals etwas Derartiges erlebt zu haben.
Es musste an Faith liegen.
Das war die einzige Erklärung, die ihm einfiel, denn es hatte erst mit ihr angefangen. Und nun, wo die Büchse der Pandora geöffnet war, gelang es ihm nicht, sie wieder zu schließen.
Wie sollte er damit umgehen?
Er zwang sich, den Gedanken beiseitezuschieben. Es gab im Augenblick wichtigere Dinge, um die er sich zu kümmern hatte.
Lebenswichtige Dinge.
Über lebenswichtig – nicht nur für Faith.
Die schüttelte jetzt den Kopf und murmelte: „Nein, das kann nicht sein. Unmöglich! Ich muss hier raus!“ Ehe Jake sich versah, hatte sie ihre Umhängetasche geschnappt, die neben einem der Plastikstühle lag, und war aus dem Warteraum gestürzt.
„Faith, warte!“ Seufzend folgte er ihr. Doch sie hatte bereits den Fahrstuhl erreicht und war in die offene Kabine gesprungen, deren Türen sich nun vor seiner Nase schlossen.
Er unterdrückte einen Fluch. Das war ganz allein ihre Schuld! So etwas passierte ihm sonst nicht. Sie lenkte ihn ab, warf ihn emotional
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