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Schenk mir deinen Atem, Engel ...

Schenk mir deinen Atem, Engel ...

Titel: Schenk mir deinen Atem, Engel ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Kilborne
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Hölle gekommen zu sein schienen. Mit schuppiger schwarzer Haut, die schimmerte wie die Chitinpanzer von Insekten, mit Tentakeln, messerscharfen Klauen und Reißzähnen.
    Er sah sie vor sich, wenn er die Augen schloss. An Schlaf war unter diesen Umständen gar nicht zu denken. Und so lag er einfach nur da, starrte die Decke an und zwang sich, wach zu bleiben, weil er sich davor fürchtete, einzuschlafen.
    Sich davor fürchtete, die Monster zu entfesseln.
    Will … Wiiiiiiill …
    Will blinzelte, dann presste er sich die Hände auf die Ohrmuscheln und versuchte, das heisere Flüstern, das er vernahm, auszusperren. Doch es ging nicht. Es konnte nicht gehen – weil es direkt in seinem Kopf erklang.
    Es war nicht das erste Mal, dass er es hörte. Allerdings das erste Mal, während er wach war. Und es jagte ihm eine Höllenangst ein.
    „Hau ab, verschwinde“, schluchzte er verzweifelt, aber das Flüstern blieb. Und es wurde eindringlicher.
    Wiiilllll … Komm zu miiiir …
    Wie von selbst setzte er sich auf, schwang die Beine von der Matratze und ließ sich vom Bett rutschen. Ein Teil von ihm versuchte, dagegen anzukommen. Das war nicht er selbst, der da seine Schuhe anzog, sich hinhockte und die Schleife zuband. Er hatte vollkommen die Kontrolle über seinen Körper verloren, den nun jemand anderes steuerte.
    Verzweifelt wehrte er sich, doch er konnte nichts tun. Nur im Spiegel zusehen, wie er sich erhob und in Schlafanzug und Schuhen auf die Tür seines Krankenzimmers zuging.
    Als er auf den Krankenhauskorridor trat, konnte er seine Eltern von Weitem im Wartezimmer sehen. Sein Vater hielt seine Mutter im Arm und tätschelte ihr tröstend die Schulter. War es seinetwegen, oder war noch etwas anderes passiert? Will wollte nach ihnen rufen. Sie bitten, ihm zu helfen, doch kein Laut verließ seine Kehle.
    Nicht einmal ein heiseres Krächzen.
    Bemüh dich nicht, flüsterte die Stimme in seinem Kopf. Komm zu mir …
    Zehn Minuten später schlüpfte ein halbwüchsiger Junge im Pyjama durch die Vordertür der Klinik hindurch hinaus ins Freie. Niemand bemerkte ihn. Selbst die Funktion der Sicherheitskameras, die das Foyer überwachten, war kurz gestört, als er ins Bild trat.
    Will verschwand in der Dunkelheit, ohne noch einmal einen Blick zurückzuwerfen.

8. KAPITEL
    „Also bin ich es gar nicht?“, fragte Faith, als sie ein paar Minuten später wieder im Wagen saßen. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie inzwischen gar nichts mehr verstand. „Ich bin nicht die reine Seele?“
    Unwirsch winkte Jake ab. „Das hast du doch eben selbst gehört, oder? Natürlich bist du es nicht, sonst wäre ich jetzt da, wo ich hingehöre, und du wärest nicht mehr bei mir!“ Als er sah, wie sie verletzt die Augen niederschlug, stockte er und bereute seine barschen Worte sofort. Die Nachricht, dass er sich offenbar die ganze Zeit über getäuscht hatte, war ein Schock für ihn gewesen: all die Anstrengungen und Mühen – umsonst! Aber wenn es jemanden gab, der absolut nichts dafür konnte, dann war es Faith. Sie hatte ihm zu keinem Zeitpunkt etwas vorgemacht oder ihn betrogen. Wie hätte sie das auch tun sollen? Nein, schuld an allem war nur er. Er hatte Fehler gemacht – fragte sich bloß, welche.
    Er senkte die Stimme und sah Faith an. „Hör zu“, sagte er. „Es tut mir leid, wirklich. Ich wollte dich nicht so anfahren.“
    „Schon gut.“
    „Nein, es ist nicht gut! Ich habe gerade etwas gesagt, das ich nicht so meinte. Jedenfalls nicht so, wie es für dich geklungen haben muss.“ Er strich ihr mit der rechten Hand behutsam übers Haar. „Sicher, es stimmt, ich verfolge eigene Interessen. Ich hatte einen Auftrag. Wenn ich die reine Seele finde und den Cherubim überbringe, dann wird meine Verbannung aufgehoben, und ich kann ins Elysium zurückkehren.“
    Sie schaute ihn an. Ihr Blick ließ sofort ein Gefühl der Wärme und des Trostes in ihm aufsteigen. „Dann war es wohl … ein ziemlicher Schock für dich, festzustellen, dass du dich geirrt hast?“
    Er nickte kaum merklich. „Ich verstehe das einfach nicht! Ich weiß nicht, wo der Fehler liegt. Jedes Mal, wenn ich in deiner Nähe war, habe ich gespürt, dass du die reine Seele sein musst.“
    „Und wie? Wie konntest du das spüren?“
    Er seufzte. „Das einem Menschen zu erklären ist nicht einfach. Sagen wir mal so: Immer wenn ich in deiner Nähe war, habe ich diese Reinheit gespürt, die von dir ausgeht. Du bist unschuldig und hast ein gutes Herz. Du bist krank

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