Schenk mir mehr als diese Nacht
Vater ihres Kindes. So konnte sie es nicht verhindern, dass sie sich ständig in Tagträumen verlor, in denen es um eine gemeinsame Zukunft als kleine, glückliche Familie ging. Doch wenn sie Sebastian näherkommen und die Geheimnisse ergründen wollte, die er vor ihr verbarg, musste sie Geduld beweisen.
Darum machte sie sich auch tapfer allein auf den Weg zu ihrem ersten Arztbesuch. Denn sobald es um das Baby ging, verschloss sich Sebastian nur noch mehr. Nie fragte er sie nach ihrem Befinden oder zeigte Interesse an der voranschreitenden Schwangerschaft, außer bei Terminabsprachen.
Sie zum heutigen Arzttermin zu begleiten, bei dem die ersten Ultraschallaufnahmen gemacht wurden, war ihm offenbar nicht einmal in den Sinn gekommen.
Als Aneesa mit einem erleichterten Lächeln auf dem Gesicht die Arztpraxis verließ, strahlte die Frühlingssonne warm vom Himmel. Was für ein perfekter Tag! dachte sie. Oder wenigstens fast perfekt …
Das Ultraschallbild in ihrer Hand bewies, dass es dem Baby gut ging. Nur hatte sie niemanden an ihrer Seite, mit dem sie die gute Nachricht teilen konnte. Energisch schüttelte Aneesa die trüben Gedanken ab und beschloss, sich London ein wenig anzuschauen. Pflichtschuldig rief sie in Sebastians Apartment an und erklärte Daniel, dass sie etwas später als erwartet zurückkam. Anschließend marschierte sie munter drauflos, ausgerüstet mit einer U-Bahn-Karte und wertvollen Tipps von Sebastians Butler.
Sebastian stand am Fenster seines Büros. Warum er so nervös und voller Unruhe war, konnte er sich nicht erklären. So fühlte er sich, seit er Aneesa kannte … und mit ihr schlief.
Als Kind hatte er sich immer in die Ställe geflüchtet und die Pferde seines Vaters geritten, bis sie schweißnass waren und vor Erschöpfung zitterten. So konnte er wenigstens einige kostbare Stunden den Qualen entfliehen, die er unter der grausamen Tyrannei seines Erzeugers hatte erleiden müssen. Oder der Leere und Einsamkeit, die ihm nach dem Weggang seiner Mutter das Herz zerschnitt. Und der Tatsache, dass sie ihm stets ihren jüngeren Sohn Nathaniel vorgezogen hatte.
Doch diesmal funktionierte gar nichts, was immer er auch versuchte. Sein Interesse an der Arbeit tendierte gen null, und nicht einmal auf die sonst so zuverlässige Droge Extremsport konnte er sich verlassen!
Stattdessen schlief Sebastian zunehmend immer längere Strecken am Stück und erwachte zu Zeiten, in denen er normalerweise erschöpft vom Powerjogging zurückgekommen war.
Aus Angst, völlig die Kontrolle zu verlieren, flüchtete er nach dem Sex grundsätzlich aus Aneesas Bett. Das bescherte ihm zusätzlich ein verdammt schlechtes Gewissen und nagende Schuldgefühle. Auch heute, anlässlich ihrer ersten Ultraschalluntersuchung, hatte er sie wieder im Stich gelassen! Als sie den Termin zaghaft erwähnte, hatte er eiskalt Arbeit vorgeschützt, die inzwischen seit Tagen unerledigt auf seinem Schreibtisch lag.
Der Gedanke, dass aus mikroskopisch kleinen Zellen ein richtiges Baby entstehen sollte – Aneesas und sein Baby –, jagte ihm immer noch höllische Angst ein. Und diese wachsende Zellansammlung auch noch auf einem Schwarzwißmonitor zu sehen …
Sebastian schnitt eine Grimasse, wandte sich abrupt um und rief in seinem Penthouse an. Daniel sagte ihm, dass Aneesa noch nicht wieder zurück sei. Stirnrunzelnd blickte Sebastian auf die Uhr an seinem Handgelenk.
„Aber der Termin liegt bereits mehr als eine Stunde zurück, da müsste sie doch längst zu Hause sein.“
„Sie hat mich nach dem Arztbesuch angerufen und gefragt, wie sie am besten zur Brick Lane kommt. Ich habe es ihr erklärt und …“
Mehr hörte Sebastian nicht, weil er sich plötzlich an die Aufregung innerhalb seines Security-Teams erinnerte, als es am Tag von Aneesas Ankunft den großen Bollywoodstar in ihr erkannt hatte. Und jetzt war sie auf dem Weg ins heißeste angloindische Viertel Londons!
Nagende Angst schnürte ihm die Kehle zu, als er den Hörer aufknallte und nach seiner PA brüllte, die seinen Wagen samt Chauffeur ordern sollte. Mit fliegendem Puls verwünschte er sich selbst, weil er Aneesa nicht längst ein englisches Handy besorgt hatte, und flehte innerlich, dass sie sich wenigstens mit einer Baseballkappe und Sonnenbrille getarnt hatte.
Aneesa verließ die U-Bahn-Station und wanderte inzwischen wieder gut gelaunt die Hauptstraße von Bethnal Green entlang, auf der Suche nach der Brick Lane. Mit allen Sinnen nahm sie die Atmosphäre
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