Schenk mir nur diese eine Nacht (German Edition)
abgewandt.
Er war in die Rolle des trauernden Witwers geschlüpft. Die Öffentlichkeit ging die Wahrheit nichts an, und seine Familie hatte er mit seinem persönlichen Drama nicht belasten wollen.
Aber sein Leben jetzt war eine noch größere Lüge als die Ehe mit Lissa – weil er diesmal sich selbst belog.
Einen Tag nach Annys Abreise hatte auch er Santorin und seine Familie verlassen. Die Arbeit würde rufen, hatte er erklärt. Und so war er nach Hollywood geflogen und hatte sich tatsächlich wie ein Besessener in die Arbeit gestürzt. Er versuchte sich einzureden, dass alles in Ordnung war und dass er über Anny hinwegkommen würde, so wie er auch die anderen Rückschläge in der Vergangenheit verkraftet hatte.
Aber er konnte Anny einfach nicht vergessen. Und er konnte sich nicht selbst belügen.
Er saß in seinem geräumigen lichtdurchfluteten Haus in Kalifornien und spürte eine entsetzliche Leere. Vor seinem geistigen Auge sah er immer wieder die beengten Räumlichkeiten der Jacht, die er für zwei Wochen mit Anny geteilt hatte.
Und auch wenn er nachts in seinem Bett lag, kreisten seine Gedanken nur um sie.
Er konnte ihren warmen weichen Körper und ihre tastenden Hände förmlich spüren. Nur zu gut wusste er, dass sich nicht nur ihre Körper, sondern auch ihre Seelen in jener Nacht vereint hatten.
Ohne sie würde er sich nie mehr als Ganzes fühlen.
So sehr er sich auch dagegen wehrte – er konnte sich seine Zukunft nur mit ihr vorstellen.
Anny.
Sie war das Risiko eingegangen und hatte sich von Gerard getrennt.
Und Franck, das wusste er aus einer Reihe von E-Mails, hatte den Schritt zur Operation gewagt.
Und beide hatten ihm – ausgerechnet ihm – für seine Unterstützung gedankt.
Was ist mit mir? fragte Demetrios sich bitter. Bin ich nur gut im Reden?
Seit drei Wochen war Anny nun schon in Mont Chamion. Ihre Familie hatte sie liebevoll gedrängt, mehr Zeit mit ihnen zu verbringen. Sie wusste, dass sie nicht nur ihnen einen Gefallen tat. Die Trennung von Demetrios schmerzte sie noch immer, und sie war froh, im Umfeld ihrer Lieben ihre Wunden lecken zu können. Sie kannte Mont Chamion in- und auswendig, und sie genoss es, sich in ihre alten Verstecke zurückzuziehen. Aber ihre kleinen Brüder, die sie offensichtlich sehr vermisst hatten, machten es sich zur Aufgabe, sie überall zu finden. Mehr als zwei Stunden war sie nie allein.
Und um nach Cannes zu gehen, fühlte sie sich noch nicht bereit. Es gab dort zu viele Dinge, die sie an Demetrios erinnerten.
Dass sie ihn nie vergessen würde, war ihr klar, aber sie hoffte, dass der Schmerz mit der Zeit abklingen würde.
Und so bat sie eines Morgens ihren Vater um die Schlüssel der alten Blockhütte am See.
„Bist du sicher, dass es eine gute Idee ist, Anny?“, fragte ihr Vater besorgt. „Ich habe es nie übers Herz gebracht, mit Charlise und den Jungen dort hinzugehen. Für mich ist der Ort zu sehr mit deiner Mutter verbunden. Wir sind nur einmal an der Hütte vorbeigelaufen, mittlerweile ist alles von Pflanzen überwuchert.“
„Mach dir keine Sorgen, ich werde alles auf Vordermann bringen. Ich brauche einfach ein paar Tage nur für mich. Und dort werden mich selbst die kleinen Weltenforscher nicht ausfindig machen können“, fügte sie verschmitzt hinzu.
„Das glaubst du“, erwiderte ihr Vater mit einem Lächeln und übergab ihr den Schlüssel.
Die Blockhütte war, wie er vorausgesagt hatte, ziemlich verstaubt und heruntergekommen. Aber für Anny war dieser Ort mit unendlich vielen Erinnerungen verbunden. Und auch wenn sie nicht alle schön waren, wollte sie keine missen. Während sie aufräumte, schrubbte und Fenster putzte, merkte sie, wie auch sie begann, mit sich selbst ins Reine zu kommen und die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Als ihre Mutter gestorben war, hatte ihr Vater sie an diesen Ort gebracht. „Jedes Mal, wenn wir zurückschauen, werden wir uns an sie erinnern. Unser Leben wird aber auch ohne sie weitergehen. Das Einzige, was wir tun können, ist, sie immer in unserem Herzen zu tragen.“
Dasselbe wollte sie auch jetzt tun. Sie würde sich für kurze Zeit erlauben, in den Erinnerungen an Demetrios zu schwelgen.
Und dann würde sie nach vorne blicken.
Als die Nacht hereinbrach, setzte sie sich auf die Veranda, hüllte sich in eine warme Decke und schaute in den funkelnden Himmel.
Wunschsterne hatte ihre Mutter sie genannt.
All das gehörte der Vergangenheit an, und doch konnte sie nicht
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