Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
Ahnung, dass Jonas die Aussicht, Vanessa könne unbeschadet aus der Situation herauskommen, nicht gefallen würde. Vielleicht war es nur sein eigenes, stets wachsendes Misstrauen – besonders Jonas gegenüber. Vielleicht aber, und so zeigte es die Erfahrung, war dieses Misstrauen auch berechtigt. Und genau das alles wollte er herausfinden.
»Ich verstehe nicht, warum«, sagte Vanessa weit weg in se inem Schlafzimmer.
Doch Thox hörte ihr nur noch mit einem halben Ohr zu. Er hatte endlich ihr kleines Klapphandy gefunden – und eine CD. »Was ist das?«, hörte er sich fragen, doch im selben A ugenblick wurde ihm bewusst, dass Vanessa nicht sehen konnte, was er mit spitzen Fingern in seiner Hand hielt und ihm eine seltsame Gänsehaut bereitete.
Mit nun weniger entschlossenen Schritten kehrte er ins Schlafzimmer zurück. Als Vanessa sah, was er in seiner Hand vor sich hertrug, verfinsterte sich ihr Gesicht – als würde auch sie die Bedrohung spüren, die von dieser kleinen Scheibe ausging. »Die DVD gehört Jonas, ich habe sie in e inem Camcorder in seinem Schlafzimmer gefunden.«
»Was ist drauf?«
Vanessa griff sich mit der freien Hand an die rechte Schulter und versuchte offenbar, dort eine Verspannung zu lösen. »Keine Ahnung, ich habe sie mir nicht angesehen.«
Thox betrachtete die CD einen Augenblick, dann warf er sie achtlos auf den Tisch neben ihm. Schließlich gab es einen Plan, den er zu verfolgen hatte. Er klap pte Vanessas Handy auf und drückte den Powerknopf, um das Gerät einzuschalten. Doch nichts geschah – das Display blieb dunkel.
»Verdammt, dein Akku ist wirklich leer«, fluchte er w ütend und ließ das Telefon unnötig laut wieder zuklappen.
»Und was jetzt?«, hörte er sie fragen.
Ja, was jetzt? Sein Blick fiel erneut auf die CD auf dem Tisch, und ein unheimliches Gefühl beschlich ihn von neuem. Er wusste instinktiv, dass er sich diese DVD ansehen musste, auch wenn er es aus unerfindlichen Gründen nicht wollte. Doch die Information, dass Vanessa sie in Jonas’ Schlafzimmer gefunden hatte und sie nun die ganze Zeit in seiner Wohnung gewesen war, schrie geradezu danach, dass es kein Zufall sein konnte. Diese Disc würde alles verändern, Thox wusste nur noch nicht in welche Richtung.
»Ich schlage vor, wir sehen uns mal an, was auf der DVD ist«, sagte er schlie ßlich. Denn wenn er das seltsame Gefühl in seinem Magen nicht erklären konnte, dann war es auch nicht real und somit kein Grund, sich davor zu fürchten. Also nahm er die CD wieder in die Hand und ging zu seinem DVD-Player.
»Eigentlich … ich hab da kein gutes Gefühl«, sagte V anessa hinter seinem Rücken, und es war fast, als wären seine Gedanken durch ihre Worte zum Leben erweckt worden.
Er drückte den Power-Knopf, und die Klappe für die Disc öffnete sich mit einem mechanischen Geräusch. »Frauen und ihr Gefühl. Anna hatte auch immer …« Er brach ab. Es machte ihn selbst fassungslos, wie simpel und ohne jede B edeutung Annas Name in Vanessas Gegenwart über seine Lippen gegangen war. Als wäre es normal für ihn, über sie zu reden. Doch das war es nicht.
Die Klappe schloss sich wieder, und er schaltete den Ferns eher ein. Zunächst war nur das übliche Schneegestöber auf dem Bildschirm zu sehen, doch dann flackerte das Testbild des DVD-Players auf.
»Sehen wir es uns einfach an.«
»Thox, bitte nicht«, flehte Vanessa, und ihre Worte schienen wie ein bedrohliches Fallbeil über seinem Kopf zu schweben.
»Es ist doch nur eine DVD. Was soll da schon drauf sein?!« Er setzte sich am Fußende zu Vanessa aufs Bett, die Fernb edienung in seiner Hand, und drückte auf Play. Mit einem dumpfen Surren setzte sich das Gerät mühselig in Bewegung.
»Mir kommen da ganz viele schlimme Dinge in den Sinn. Und das will ich nicht sehen«, sagte sie schließlich unruhig, als das Testbild auf dem Fernseher ve rschwand.
»Aber ich schon.«
Und plötzlich erschien ein neues Bild auf der Mattscheibe. Es sah aus wie … ein Stück Haut. Thox’ Blick fiel auf die untere linke Ecke. Dort stand in dunkler Druckschrift Uhrzeit und Datum, wann die DVD aufgezeichnet worden war:
22. Juni
9:28 Uhr
Und dann kam endlich Leben in das Bild. Das Stück Haut trat einige Schritte zurück und erwies sich als der nackte Bauch von Jonas. Noch war die Kamera auf das mit dunklen Vorhängen behangene Fenster gerichtet, doch schon ve rschwand Jonas aus dem Bild – scheinbar hinter die Kamera – und justierte den Blickwinkel, bis
Weitere Kostenlose Bücher