Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
zu überzeugen.
Eine andere Ungewissheit trieb ihn trotz seiner Sorge, sich jeden Augenblick übergeben zu müssen, weiter voran. Die Blutspur auf dem Teppich vor seinen Füßen endete zwar u nter dem Sessel, doch in die andere Richtung führte sie direkt zu der Tür von Thox’ Schlafzimmer. Jonas vermutete, dass es nicht genug Blut war, um hinter dieser Tür eine Leiche vorfinden zu müssen, und doch musste er einfach wissen, was sich in dem Schlafzimmer abgespielt hatte. Es würde genug Zeichen geben, die er lesen konnte, dessen war er sich sicher, und das war immer noch besser, als weiterhin vollkommen im Dunkeln zu tappen. Und so trugen ihn seine Beine entschlossen zu der angelehnten Schlafzimmertür.
Jonas hatte sich fest vorgenommen, nicht zu zögern. Und so stieß er die Tür auf, mit spitzen Fingern diesmal, und sie öf fnete sich vor ihm wie eine Einladung in den Abgrund.
Wenn er geglaubt hatte, das Blut im Wohnzimmer reiche nicht aus, um zu verbluten, hatte er sicher recht gehabt. J edoch konnte er das nicht von dem Blut im Schlafzimmer behaupten. Mit vor Entsetzen offen stehendem Mund trat Jonas auf das Massaker vor seinen Augen zu. Die Blutspur im Wohnzimmer hatte vor der Tür ihr Ende gefunden, doch hier nun hatte sich eine vollkommen neue Definition von Blutspur aufgetan. Auf dem Boden vor dem Bett, das wie in einer Irrenanstalt mit Gurten ausgestattet war, war das mittlerweile beinahe schwarze Blut in den billigen Teppich gesickerte und hatte einen Fleck hinterlassen, der die Größe eines Billardtisches besaß. Die Schleifspur, die davon ausging, war so dick wie der Oberschenkel einer fetten Frau – die Spur im Wohnzimmer war ein Witz dagegen! Und wieder führte diese Spur zu einer Tür.
Das Badezimmer.
Alles in Jonas sträubte sich dagegen, das Unausweichliche zu tun, doch es musste sein – auch wenn er vergessen hatte, warum das so war. Sein Kopf fühlte sich erschreckend leer und schwer an, sein ganzes Blut hatte sich in seinem Magen gesammelt und drohte, jeden Moment aus ihm hervorzubrechen. Doch er schluckte den sauren Dunst in seinem Mund herunter und hörte auf das drängende Verlangen seiner noch übrig gebliebenen Vernunft und ging auf die letzte Tür zu. Als er vor ihr stand, wusste er schon nicht mehr, wie es ihm gelungen war, sie überhaupt zu erreichen, denn seine Beine fühlten sich an, als hätte ihm ein stiller Beobachter mit einer Axt die Knie eingeschlagen.
Und dann öffnete sich die Tür, beinahe wie von Geiste rhand, und Jonas bekam nur vage mit, dass es tatsächlich seine eigene Hand gewesen war.
Vor ihm lag das Badezimmer. Mit starren Augen blickte er auf das unfassbare, unglaubliche Bild vor ihm. Der gekache lte und seltsam hohle Raum glich einem Schlachthof. In der Badewanne stand angetrocknetes Blut, das bis an Wand und Decke gespritzt war. Auf dem Waschbecken, das selbst ebenfalls rot und matt schimmerte, obgleich hier offenbar der klägliche Versuch gestartet worden war, es von dem Blut reinzuwaschen, lag ein Messer. Es war groß und mit einer scharfen Klinge, soviel konnte Jonas erkennen.
Was war hier bloß passiert? Er wollte die Hand vor den Mund schlagen, eine instinktive Geste des Entsetzens, doch er konnte sich nicht bewegen. Sein Körper war taub, selbst seinen Magen spürte er nicht mehr.
Dann hatte Vanessa Thox also tatsächlich ermordet? Und dann was? Mit einem Messer in Stücke geschnitten? Jonas konnte es nicht sagen, sein Gehirn ließ keinen vernünftigen Gedanken zu, Rationalität hatte es komplett ausgeblendet. Und obwohl dieses Bild der menschlichen Verwüstung mehr Fragen aufwarf als es beantwortete, gingen Jonas ununterbrochen fünf Worte durch den Kopf: Ich bring die Schlampe um!
Als Jonas seine betäubende Todesstarre überwunden hatte, kehrte die wütende Panik in seinen Körper ein. Aufgewühlt ließ er das Massaker in Thox‘ Lagerhalle hinter sich und eilte hektisch in seine Wohnung zurück.
Er würde Vanessa töten! Sie hatte ihn und seinen einzig wa hren Freund auseinander gerissen, das Leben aus dem Körper von Thox geschlachtet und all seine eigenen Pläne zunichte gemacht! Sie hatte alles zerstört, ihm alles genommen, was ihm wichtig war, und dafür sollte sie büßen! Er würde sie umbringen, und es war ihm mittlerweile vollkommen gleichgültig, ob man ihn dafür ins Gefängnis steckte oder nicht. Er wollte sie töten, er wusste nur noch nicht wie. Hauptsache es war qualvoll und brachte ihm auf diese Weise die Genugtuung, nach
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