Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
Vater plöt zlich ein. Er war inzwischen vom Tisch aufgestanden und brachte Nicky kurz aus dem Konzept. Er wollte die Unterstützung seines Vaters nicht, hatte sie nie gewollt, und nun war es dafür zu spät. Er brauchte sie nicht mehr.
»Ach du, sei doch still! Du hast doch ohnehin von nichts eine Ahnung!«, keifte seine Mutter ihren Mann an. Bevor N icky wusste, was eigentlich geschah, hatte sie auch schon einen der Teller gegriffen und nach ihrem Mann geworfen. Er flog nur knapp an seinem rechten Ohr vorbei und knallte scheppernd gegen die Wand, wo er zersprang und sich in duzenden von Scherben und Essensresten auf Tapete und Teppich ergoss.
Ohne ein weiteres Wort suchte sein Vater das Weite, und N icky würde ihn auf ewig als Feigling in Erinnerung behalten. Er aber sah seine Gelegenheit gekommen. Seine Mutter war so in Rage, dass es an der Zeit war, sie endlich in die Realität zu holen. Ohne seine Position auf dem Stuhl zu verändern, holte Nicky zum verbalen Schlag aus.
»Vielleicht hast du recht. Vielleicht bin ich wirklich A bschaum, ein Eiterpickel am Arsch der Gesellschaft«, erklärte Nicky gleichgültig und zuckte mit den Schultern, bevor er fortfuhr: »Aber weißt du was? Niemand außer dir stört sich daran! Also sei so gut und lass dein dummes Gerede endlich stecken, sonst wirst du jedem, der sich dafür interessiert, erklären müssen, was du nachts in meinem Zimmer machst …«
Seine Mutter wurde fahl im Gesicht, und Nicky betrachtete dies mit Genugtuung. Ihm war endlich aufgegangen, dass seine Mutter ihm einen Gefallen getan hatte, als sie nachts zu ihm geschlichen war. Denn damit hatte er sie in der Hand, und er würde nicht einen Augenblick zögern, seine Drohung wahr zu machen. Er würde es allen erzählen! Ihm war klar, dass seine Mutter leugnen, vielleicht sogar ihm die Schuld geben würde, doch die Grundsituation blieb die gleiche: sie war seine Mutter, er minderjährig, und ganz egal, ob die Wahrheit jemals ans Licht kam oder nicht, ihr Ruf wäre ru iniert. Ein Zweifel blieb immer zurück. Das wusste auch sie. Und obgleich jeder in dem Dorf über ihr wahres Gesicht im Bilde war, so lebte seine Mutter in dem Glauben, sie sei im Dorf eine angesehene Bürgerin.
Als Nicky an diesem Abend in sein Zimmer ging, fühlte er sich zufrieden und glücklich. Denn zum ersten Mal seit la nger Zeit hatte er keine Angst mehr.
Kapitel 3
Heute
Donnerstag, 26. Juni
V anessa hatte sich gegen eine Offenbarung entschieden. Es waren Jonas‘ eigene Worte gewesen, dass sie es langsam angehen sollten, und das hatte Vanessa nun auch für sich beschlossen. Sie wollte nicht schon jetzt alles mit der Wahrheit kaputt machen, wo doch im Augenblick alles perfekt war. Zumindest fast.
In den letzten Tagen hatten sie und Jonas viel Zeit zusammen verbracht. In der Werbeagentur sprachen sie nur selten mite inander, doch Vanessa bemerkte immer wieder, wie er sie aus der Ferne beobachtete, und ohne dass er es wusste, machte er ihr damit das größte Geschenk. Die Distanz während der Arbeit endete jedoch zum Feierabend. Dann ging er wie selbstverständlich mit zu ihr nach Hause, als hätte er niemals etwas anderes getan. Die Zeit mit ihm zusammen war toll, doch nur so lange, bis er am späten Abend zurück in seine Wohnung fuhr.
Auch an diesem Abend lagen sie auf der Couch, sein bekle ideter Körper zwischen ihren Beinen. Er hing mit seinem Mund an ihren Lippen, liebkoste ihr Gesicht und ihren Hals, doch vergeblich wartete Vanessa darauf, dass er sie endlich an den Stellen berührte, die von Bedeutung waren. Denn das geschah nicht, sein Gesicht verschwand niemals unterhalb ihres Blickwinkels und seine Hände lagen auf ihren Schultern, als hielte er eine Tote. Immer wieder versuchte Vanessa, ihn irgendwie heiß zu machen. Sie drückte ihren Unterleib gegen seinen Schritt, in der Hoffnung, damit Gelüste in ihm zu wecken, die irgendwo tief in ihm schlummern mussten. Doch es regte sich nichts.
»Ich denke, ich sollte gehen«, war schließlich seine Reaktion. Er zog sich von Vanessa zurück, blieb aber auf der Couch sitzen, als müsse er erst wieder zu Atem kommen. Vanessas innere Anspannung fiel in sich zusammen wie ein ohnehin schon wackeliges Kartenhaus.
»Oder du könntest bleiben«, schlug sie vor. Dabei erhob sie sich aus ihrer liegenden Position und setzte sich auf seinen Schoß. Sie war noch nicht bereit, einfach aufzugeben. Also begann sie, liebevoll an seinem Ohrläppchen zu knabbern.
»Es ist noch
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