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Scherbenherz - Roman

Scherbenherz - Roman

Titel: Scherbenherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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zu einem besseren Christen.«
    Sie atmete erleichtert auf und fügte schuldbewusst hinzu: »Und bitte beschütze auch Mummy.«
    Das mit dem Beten war eine merkwürdige Sache. Sie hatte damit begonnen, nachdem sie in der Schule eine kleine braunrote Gideon-Bibel von einem Gastprediger geschenkt bekommen hatte. Er hatte den Schülern Geschichten von Kindern aus alter Zeit erzählt, die täglich Bibel gelesen und gebetet und daher ein gutes Leben geführt hatten. Die Vorstellung von diesem täglichen Ritual hatte Charlotte stark beeindruckt. Außerdem freute sie sich, ein Geschenk zu erhalten, denn es war weder ihr Geburtstag noch Weihnachten. Daher verließ sie an jenem Tag die Schule mit einem positiven Gefühl für die Religion und begann, obwohl ihre Eltern nie in die Kirche gingen, jeden Abend im Bett vor dem Einschlafen einen Abschnitt aus der Bibel zu lesen. Sie mochte das dünne Papier, das sich zwischen den Fingern wie Pauspapier anfühlte, und entdeckte die beruhigende Wirkung dieser Lektüre.
    Seit jener Zeit erschien es ihr nur natürlich zu beten. Wobei es sich nicht gehörte, für sich selbst und die Erfüllung eigener geheimer Wünsche zu beten. So viel hatte sie gelernt. Daher bat sie Gott, die Eltern zu beschützen, dankte für das wunderschöne Zuhause, während so viele andere obdachlos waren. Gelegentlich thematisierte sie sogar Katastrophen, wie die Hungersnot in Äthiopien oder Terroranschläge in Nordirland. Nie vergaß sie die Tropenwälder und gefährdete Tierarten, denn sie war Mitglied des World Wildlife Fund und hatte einen Mitgliedsanstecker in Form eines Pandabären, eines ihrer kostbarsten Besitztümer. Charlotte empfand Beten als ausgesprochen beruhigend und wachte in panischer Angst auf, wenn sie etwas zu erwähnen vergessen hatte, das ihr am Herzen lag.
    Sie betete noch immer – hielt die Augen fest geschlossen, die Hände gefaltet –, als sie Charles die Treppe heraufkommen hörte. Sie löste hastig die Hände, die Handflächen feucht von Schweiß. Der Gedanke, ihr Vater könne sie dabei ertappen, war vernichtend. Er würde es für albern halten, und sie wäre nicht in der Lage, es ihm überzeugend zu erklären. Er erwartete vielmehr von ihr, dass sie die Existenz eines Gottes leugnete. So verzweifelt sie auch Charles’ Anerkennung suchte, so weit konnte und wollte sie dennoch nicht gehen. Es wäre ihr falsch, irgendwie treulos, geradezu sündhaft vorgekommen.
    Charlotte fühlte, wie ihr Herz schneller schlug, während seine Schritte näher kamen, und bereitete sich seelisch auf einen höflichen Dialog vor. Was er ihr auch immer zu essen gezaubert haben mochte, ohne es zu verbrennen, sie würde sich dankbar zeigen. Sie spürte ein Kitzeln im Hals und hüstelte, um es abzustellen. Doch plötzlich konnte sie nicht aufhören. Sie hustete noch immer, als Charles geduckt durch die Tür kam, um sich nicht am Türbalken zu stoßen, ein Tablett in den Händen balancierend. Das Geschirr auf dem Tablett klapperte.
    »So, das hätten wir«, erklärte er mit einer aufgesetzten Fröhlichkeit, die nicht zu ihm passte. »Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Die erste Runde Toast ist verkohlt. Schätze, deine Mutter muss die verdammte Einstellung verändert haben, ohne es mir zu sagen.«
    Charlotte nickte, um neutrales Verständnis bemüht. Sie setzte sich im Bett auf, steckte sich das Kissen in den Rücken und glättete die Bettdecke auf ihrem Schoß, so dass Charles das Tablett vor ihr absetzen konnte. Ihr Blick fiel auf zwei Scheiben kaum sichtbar geröstetes Toastbrot, das er in der Mitte und nicht diagonal durchgeschnitten hatte. Die einzelnen Teile hatte er in einen silbernen Toasthalter gesteckt, der Charlotte neu war. Normalerweise aß sie ihren Toast mit Butter und einem Hauch Hefeextrakt. Charles hatte versucht, die harte Butter auf dem weichen Toast zu verstreichen. Dabei war der labbrige Brotteig gerissen und gekrümelt. Große gelbe Butterbatzen zierten die Oberfläche. Daneben standen ein Honigtopf und eine Schale mit grober bitterer Orangenmarmelade. Er hatte ihr ein Glas Wasser eingeschenkt und Tee gekocht, um den sie nicht gebeten hatte, serviert in einer zierlichen Tasse mit Untertasse anstatt in ihrem üblichen Becher.
    Obwohl es nicht ganz das war, was sie sich vorgestellt hatte, konnte Charlotte kaum leugnen, dass er sich auf seine Art bemüht hatte.
    »Danke«, sagte sie. Sie lächelte. Das fühlte sich so verkrampft an, dass sie die Lippen etwas zu hastig entspannte

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