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Scherbenherz - Roman

Scherbenherz - Roman

Titel: Scherbenherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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enthüllt, dessen Ehe als unerschütterlich gegolten hatte. Wie sollte ausgerechnet sie Vertrauen haben, wenn um sie herum Lug und Trug herrschte?
    Charlotte geriet immer tiefer in den Sog ihrer Ängste, in dem jede Vernunftbereitschaft unterging. Ihr Atem ging schwer, ihre Brust wurde eng, und am Rand ihres Bewusstseins tauchte ein Bild auf, verschwommen zuerst, das immer deutlichere Konturen annahm. Da war ein abgedunkeltes Zimmer mit einem Bett in der Ecke, und ein heller silberner Lichtstreifen, den sie nicht recht zuordnen konnte. Dunkle, sich bewegende Schatten und das Gefühl von Schweißausbrüchen gefolgt von Schüttelfrost. Sie hörte ein undefinierbares Geräusch, eine Art metallisches Klicken, und den alles überdeckenden Geruch von angebranntem Toast. Charlotte verlor eine Weile die Orientierung, spürte lediglich den kalten Hauch von Angst, den das Gefühl von Vertrautheit nur noch verstärkte. Sie wusste, ohne es zu wollen, wohin das führen würde.
    Das Telefon klingelte. Auf dem Display leuchtete Gabriels Namen auf. Charlotte griff sich den Apparat mit nassen, schrumpeligen Fingern. »Hallo?«
    »Hallo. Ich bin’s. Du hast einige Male angerufen.«
    »Ja«, antwortete Charlotte, entschlossen so reserviert wie möglich zu klingen. Im Hintergrund hörte sie die blechern klingende Stimme der Ansage in einer U-Bahn-Station. Im nächsten Moment ratterte offenbar ein Zug mit klappernden Fenstern vorbei.
    »Deshalb rufe ich zurück. Was gibt’s?«
    Die aufgesetzte Unbekümmertheit ist typisch für ihn, dachte Charlotte. Damit war sie am Ende diejenige, die hysterisch und unvernünftig klang.
    »Was es gibt? Du hast dich mehr als einen Tag lang nicht gemeldet, das gibt es«, erklärte sie und versuchte, nicht allzu schrill zu klingen.
    »Richtig. Und vielleicht erinnerst du dich, dass du mich in aller Öffentlichkeit einfach hast stehen lassen.«
    »Nur weil du dich mir gegenüber so beschissen verhalten hast.«
    »Hör auf, so zu reden.«
    »Wieso? Ich hab doch nur Scheiße gesagt.«
    »Charlotte, lass das gefälligst …« Sie fiel ihm protestierend ins Wort und wurde nur noch wütender. »Unterbrich mich nicht! Willst du hören, was ich zu sagen habe – oder nicht?«
    »Wenn es eine Entschuldigung ist.«
    »Eine Entschuldigung?« Gabriel wurde laut. Er klang ungläubig. Und er redete schneller, so dass Charlotte wusste, dass er tatsächlich wütend war. Sie bereute augenblicklich, ihn gereizt zu haben. Mitten in dieser Auseinandersetzung hätte sie am liebsten die Uhr zurückgedreht, sich entschuldigt, alles geglättet und vergessen. Sie hatte Angst, dass Gabriel wütend war. Angst davor, was dies für sie bedeutete. Angst, ihn zu verlieren, weil sie ihn unglücklich gemacht hatte. Angst, so verkorkst zu sein, dass sie den einzigen Mann vertrieb, den sie je geliebt hatte.
    Aber ein Teil von ihr konnte nicht aufhören, musste so lange weitermachen, bis sie in der Auseinandersetzung obsiegt und ihn gezwungen hatte, zuzugeben, dass er im Unrecht war.
    »Ja, Gabriel.« Sie artikulierte seinen Namen wie eine Lehrerin gegenüber einem unartigen Kind. »Eine Entschuldigung. Wie glaubst du, habe ich mich gestern Abend gefühlt, als …«
    Er unterbrach sie schroff und laut: »Charlotte, vielleicht erinnerst du dich, dass du diejenige gewesen bist, die völlig grundlos aus der Rolle gefallen ist. Du hast meine Freunde beschuldigt, dich zu schneiden oder zu beleidigen. Du hast gesagt, wie schlimm es sei, ›die andere Frau‹ zu sein und sich mit meiner unsäglichen Person, meiner schrecklichen Vergangenheit und meiner schrecklichen Exfrau herumschlagen zu müssen. Das ist schon manisch bei dir. Alles muss sich immer um dich drehen …«
    Die Ungerechtigkeit dieser Anschuldigungen war so eklatant, dass Charlotte laut aufschrie. Gabriel ignorierte sie. »Und das muss es wirklich nicht, Charlotte. Es gibt noch andere Menschen mit anderen Leben und anderen Problemen, und die müssen sich auch mit allem möglichen Mist rumschlagen. Ich weiß, du machst eine schlimme Zeit durch mit deinem Vater und so weiter. In dieser Beziehung hast du mein volles Mitgefühl. Aber das ist keine beschissene Entschuldigung dafür, dass …«
    »Lass die Fäkalsprache«, sagte Charlotte, weil sich damit ein leichter Punkt landen ließ.
    »Sei nicht so kindisch. Meine Freunde, das scheint dir entgangen zu sein, empfinden meine Trennung von Maya als ziemlich hart. Sie kennen sie seit vielen Jahren. Und natürlich sind sie ihr gegenüber

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