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Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)

Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)

Titel: Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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vollen Geschäfte kamen ihr fast urban vor, im Gegensatz zum behäbigen Nachbarn Unterammergau, wo sich die schweren, unverrückbaren Bauernhäuser reihten, wo ein Bäckerladen schon der Gipfel des Shoppingglücks war. In Schwaigen gab es nicht mal den.
    »Pack mer’s?«, fragte Kathi, die das Eis in Hochgeschwindigkeit verdrückt hatte.
    Irmi nickte, und Kathi zahlte für sie beide.

5
    Das Altersheim lag ein bisschen oberhalb des Orts, wo es ruhiger war. In Irmi lösten Altersheime immer Beklemmungen aus, aber dieses war recht heimelig, ein ehemaliges Hotel, in dem es gottlob nicht nach Krankenhaus roch. Sie erkundigten sich nach Frau Schmid und verliefen sich fast in den vielen verschachtelten Gängen und Stockwerken. Schließlich standen sie vor dem richtigen Zimmer und klopften an. Als keine Reaktion kam, öffnete Irmi vorsichtig die Tür.
    Burgi Schmid lag in ihrem Bett, dessen Kopfteil in Sitzposition hochgestellt war. Während die Falten das uralte Gesicht ihres Mannes lebendig und beinahe schön gemacht hatten, wirkte diese Frau einfach nur elend. Sie starrte mit leerem Blick an ihnen vorbei. Sie sah so winzig aus in dem Krankenhausbett, ihre Ärmchen waren so dürr.
    Irmi schluckte. Ihre eigene Mutter war auch mit massivem Untergewicht verstorben. Sie hatten sie nicht mehr zum Essen gezwungen, lediglich eine Infusion war noch getropft. Es war dennoch pervers: Verhungern ließ man die Alten, verdursten nicht.
    Burgi Schmid drehte langsam den Kopf herum, in ihrem Blick lagen so viel Verzweiflung und so viel Wut.
    »Bisch du die Rita?«, fragte sie.
    »Nein, die Irmi. Und das ist die Kathi. Wir wollten …« Ja, was wollten sie eigentlich? Diese Frau war keine Zeugin. Höchstens dafür, dass das Altern eine einzige Pein war. Das Altern in Würde war den wenigsten vergönnt. Die Gesellschaft versagte vor der zunehmenden Armee an dementen Alten, die dahinvegetierten, weil sie anscheinend mit Gott keinen Vertrag gemacht hatten, dass er sie rechtzeitig abrief. Er hatte sie vergessen.
    »Das Essen … das Essen schmeckt ned«, greinte sie. »I will heim. Du hast mich da einibracht.«
    Sie war schwer zu verstehen, und schon diese wenigen Worte zerrten an Irmis Nerven. Sie bewunderte all jene Menschen, die in der Pflege tätig waren. Sie würde das keine Woche durchstehen, das wusste sie. Und sie schämte sich dafür.
    »Ach, so schlecht ist das Essen doch gar nicht«, sagte Kathi und tat etwas für Irmi völlig Unerwartetes. Sie setzte sich zu der Frau ans Bett und nahm ihre Hand.
    »Wer bisch du?«
    »Die Kathi.«
    »Von der Vroni a Freindin?«
    »Ja, kann man so sagen«, meinte Kathi. Es war faszinierend zu sehen, wie bei Burgi Schmid offenbar gerade ein Schalter umgelegt wurde. Irgendeine Synapse im Hirn hatte wohl wieder auf Leben geschaltet.
    »Dann sag der Vroni, dass i heimwill.«
    »Ja, mach ich. Weißt du, dass es bei euch gebrannt hat?«
    »Ja, aber des Vieh is nauskommen.«
    Irmi hatte den Atem angehalten. Es kam ihr pietätlos vor, jetzt nach Ionella zu fragen. Ob Kathi das tun würde?
    »Ja, aber in der Tenne war noch wer. Die Ionella, die euch gepflegt hat.«
    »Die Ionella is nachts im Bett und ned unterwegs. Die muss mit dem Xaver aufs Häusel gehen. Des gefallt ihm natürlich, dem alten Zausel.«
    »Magst du die Ionella?«
    »Naa.«
    »Warum nicht?«
    »Die nimmt immer a Messer und sticht mi. Und sie hat mir die Hand verbrannt, Tee drüberg’schüttet.«
    Die Tür klappte, und eine Pflegerin kam mit dem Essen herein, das wirklich nicht schlecht aussah. Eine junge Frau folgte ihr ins Zimmer und blickte erstaunt von Irmi zu Kathi sah. »Wer sind Sie?«, fragte sie.
    »Irmi Mangold und Kathi Reindl von der Polizei. Wir sind wegen des Brandes hier. Und Sie sind …?«
    »Die Enkelin. Veronika Schmid.«
    Die Pflegerin baute sich im Raum auf. »Und wenn Sie dann jetzt alle wissen, wer Sie so sind, dann gehen S’ bitt schön alle raus. Sonst isst die Frau Schmid nämlich gar nichts. Gell, Frau Schmid, mir zwei probieren des jetzt mal miteinand.« Sie klang resolut, aber nicht unfreundlich.
    »Dahinten ist ein Aufenthaltsraum«, sagte die Enkelin und ging voraus. »Sie können mich ruhig Vroni nennen.«
    »Dann sind Sie die Tochter von Rita? Die Erzieherin?«, fragte Irmi.
    Die junge Frau nickte. Sie war weniger knochig als ihre Mutter und eher das, was man in Bayern als »fester« bezeichnete. Vom Vater schien sie die vollen dicken Haare geerbt zu haben, die sie zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte.

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