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Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)

Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)

Titel: Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Eltern oder Schwiegereltern zu pflegen. Es fehlt die Distanz. Es gibt diese ganzen über Jahre eingeschliffenen Bösartigkeiten, dieses gegenseitige Erkennen von wunden Punkten, von nicht verheilten Stellen, an denen sich genüsslich herumpulen lässt. Jemand von außen tut sich immer leichter.«
    »Wir haben den Eindruck, dass sich bei den Schmids ziemlich viele einmischen und mitentscheiden wollen?«
    »In dem Fall ist es schon besser, ein kinderloses Einzelkind zu sein! Man muss zwar viele Entscheidungen allein treffen, aber immer noch besser, als alles im Familienrat zu beschließen, wo jeder auf seinen eigenen Vorteil schaut. Für die Pflegerinnen ist es in einer solchen Familie ungleich schwerer. Wer ist ihnen gegenüber weisungsbefugt? Wie nett darf man zu wem sein? Was macht man mit den Familienmitgliedern, die eifersüchtig über alle Kontakte zu den Alten wachen?«
    »Und was macht man mit einem wie Thomas, der die Mädchen belästigt?«, fiel Irmi ein.
    Hanne runzelte die Stirn. »Davon weiß ich nichts.«
    »Nun, die Mädchen wollten vor allem wegen Thomas nicht bei den Schmids arbeiten.«
    »Ja? Ich kenne ihn kaum. Etwas ungeschlacht kommt er mir schon vor, auch nicht sonderlich schlau. So ein typischer Haurucktyp eben, der aus einer alteingesessenen Bauernfamilie stammt, ziemliche Narrenfreiheit hat und nie was auf die Reihe kriegt und es offenbar auch nicht muss. Wissen Sie, bei uns in der Familie war es ganz anders. Mein Vater ist mit den Steinbrüchen, den Schleifmühlen und der Wetzsteinindustrie aufgewachsen. Die Schleifmühle heute kommt vielen wie Folklore vor, da isst man halt im Gasthof und schaut sich hinterher die Relikte längst vergangener Zeiten an. Aber bei uns ist die Wetzsteinindustrie immer präsent geblieben. Noch heute können Sie mich mitten in der Nacht wecken und Zahlen abfragen: 1865 gab es in Unterammergau 52 Steinbrüche und 32 Schleifmühlen. 1913 wurden sensationelle 280 000 Wetzsteine hergestellt. Und so weiter. Die Wetzsteinmacher-Genossenschaft hatte ihren Sitz an der Stelle im Dorf, wo heute die Raiffeisenkasse liegt. Man hatte Niederlassungen in Wien, Regensburg und Nürnberg. Mein Uropa und mein Opa waren Leiter der Genossenschaft, mein Vater auch. Die waren beruflich bis nach Budapest unterwegs – verstehen Sie? Das war das Leben unserer Familie.«
    Hanne Lorenzi machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: »Mein Vater war wie gebrochen, als 1958 die letzten Wetzsteinmacher aufgaben. Aber er blieb bis zum Ende ein sehr geachteter Mann, das hat uns etwas Schutz geboten. Ich selbst tauge nicht zur Ammertalerin. Schließlich bin ich das Produkt einer Mischehe zwischen einem Ureinwohner und einer Flüchtlingsfrau. Ich hatte auch nie Freunde im Dorf. Ich war auf dem Gymnasium in Murnau und bin nach dem Abi weggegangen aus der Gegend. Mich dürfen Sie nach dem aktuellen Leben im Dorf nicht fragen. Mir kommt einer wie Thomas einfach nur dumpf vor.«
    Von Stuttgart aus betrachtet, war Thomas Schmid sicher eine lächerliche Erscheinung. Aber hier in der Enge des Dorfs konnte so einer durchaus bedrohlich werden. Es gab zwar Fluchtmöglichkeiten aus dem Ammertal: nach Süden über den Ettaler Berg, nach Norden über die Echelsbacher Brücke, nach Osten auf der Straße nach Murnau. Aber in den Köpfen waren viele Menschen hier gefangen.
    Tereza kam mit dem Netbook zurück. Wie sie es Irmi hinhielt, sah sie so jung und verletzlich aus, als wäre sie sechzehn und nicht fünfundzwanzig.
    »Danke, Tereza. Sie bekommen es so schnell wie möglich zurück. Und noch etwas: Haben Sie schon mit Ionellas Familie gesprochen? Bei unserem kurzen Gespräch haben die Angehörigen nur gesagt, einer von ihnen würde so schnell wie möglich nach Ugau reisen.«
    »Ich habe telefoniert. Ihre Vater und Bruder sind unterwegs. Sie kommen morgen schon. Vielleicht. Eben wie Bus fährt.« Tereza begann wieder zu weinen.
    Von Andrea hatte Irmi zwar schon erfahren, dass jemand aus der Familie Adami mit dem Fernbus kommen wollte, allerdings hatte sie weder gewusst, wer von den Verwandten, noch die genaue Ankunftszeit.
    Irmi und Kathi verabschiedeten sich. Frau Lorenzi wollte noch einige Tage in Unterammergau bleiben und gab den Kommissarinnen ihre Handynummer.
    Draußen war es dämmrig geworden. Langsam rollten sie über die Dorfstraße. Kathi hatte sich lange zusammenreißen müssen, doch nun brach es aus ihr heraus: »Der hat eine Morddrohung ausgestoßen!«
    »Ja, aber jemand wie Thomas Schmid sagt so was

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