Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
wollte.
In dem ganzen Kuddelmuddel hatte letztlich Rita gewonnen: Der alte Xaver war nun auch im Altersheim in Oberammergau untergebracht. Als Irmi probierte, ihn noch mal wegen der Brandbombe zu befragen, verweigerte er jedes Gespräch. Er saß nur mit geschlossenen Augen da und atmete schwer. Irmi erzählte, dass sie Markus und Thomas verhaftet hatten, sie konfrontierte ihn mit den gestohlenen Baumaschinen. Immerhin sei es ja sein Stadel, den die Männer da missbraucht hatten.
»So einfach ist das alles nicht, Frau Oberamtskommissar«, sagte er irgendwann.
»Was ist nicht einfach? Herr Schmid, wenn Sie etwas wissen, was uns weiterhilft, müssen Sie mir das sagen, bitte.«
»Schöne Frau, ich muss gar nichts. Sterben muss ich bald. Jetzt sind andere dran.«
»Und die dürfen morden? Wollen Sie etwa tolerieren, dass Ihr Sohn oder Ihr Enkel ein Mörder ist?«
»Man bekommt selten das, was man will«, sagte er, und aus seinen geröteten Augen liefen ein paar Tränen. Dann begann er erbärmlich zu husten. Immer stärker. Irmi drückte auf den Notknopf, und eine Pflegerin stürmte herein, zog von irgendwo ein Spray hervor und schrie: »Raus hier!«
Betroffen trollte sich Irmi zum Parkplatz. Da war etwas. Der Alte wusste mehr, das spürte sie. Aber sie hatte es versemmelt. Seit Tagen machte sie ihre Arbeit nicht so gut wie sonst. Ihre Fragetechnik war einfallslos, sie hatte zu wenig Biss.
Irmi dachte an Jens. Sie konnte gar nicht zählen, wie oft sie inzwischen versucht hatte, ihn zurückzurufen. Mailbox, immer nur die Mailbox. War das das Ende?
8
Irmi saß bedrückt beim Abendessen. Wobei das großartiger klang, als es war. Es gab ein Käsebrot, ein paar Essiggurken und dazu ein Bier, mehr nicht. Die bettelnde Katertruppe war angewidert abgezogen. Käse hätten sie gefressen, aber der Gurkenessig hatte den guten Geschmack ruiniert.
Plötzlich ging die Tür auf, und Bernhard kam herein.
»Du hast Besuch.«
Er trat zur Seite und dirigierte mit einer linkischen Geste einen älteren Mann herein. Irmi meinte, ihn schon mal gesehen zu haben, wusste aber nicht so genau, wo sie ihn hinstecken sollte.
»Hochwürden, setzen S’ Eahna doch«, sagte Bernhard.
»Danke, den Hochwürden lass mal weg. Ich bin Pfarrer a. D.«
Jetzt fiel es Irmi wieder ein: Das war ein ehemaliger Gemeindepfarrer aus dem Loisachtal. Ein guter Mann und ein echter Seelsorger. Einer, der auch Leute bestattet hatte, die aus der Kirche ausgetreten waren. Der sogar »Born to be wild« in der Kirche hatte spielen lassen, weil das der Lieblingssong des verstorbenen jungen Mannes gewesen war. Das hatte damals eine Mordsaufregung gegeben.
Sie erhob sich. »Grüß Gott.«
»Bleiben S’ sitzen. Ich platz hier so rein.«
Irmi lächelte. »Kein Problem. Leider kann ich Ihnen außer einem Bier nichts anbieten.«
»Passt scho. Bier ist gut.«
Bernhard holte eins aus der Speis und suchte nach einem Glas.
»Das Flascherl reicht«, sagte der Pfarrer.
»Ja … äh … ich geh dann mal«, druckste Bernhard herum. »Sie wollen ja zu meiner Schwester. Hat mich gefreut.«
»Mich auch«, sagte der Pfarrer und lächelte. »Auch wenn du ein furchtbar schussliger Ministrant gewesen bist. Da kippt der mir die Hostien vor die Füß!«
Irmi gluckste. Bernhard lief rot an und stolperte hinaus.
Die beiden Bierflaschen klangen aneinander, und sie tranken schweigend. Irmi wartete.
»Sie wundern sich sicher, dass ich herkomme«, sagte er schließlich.
»Ein wenig schon. Ich glaub ja nicht, dass Sie hier sind, weil Sie so launige Erinnerungen an meinen Bruder haben. Und ich hab nie ministriert. Mädchen waren damals noch nicht so gefragt.«
»Etwas schlauer ist die Kirche zwar geworden, und doch vertreibt sie all ihre Schäfchen. Nun ist der bayerische Bene weg, aber ob der Argentinier die Kirche reformieren kann? Ich bezweifle das. Die Unseren schwängern weiter ihre Haushälterinnen oder missbrauchen Schutzbefohlene. Ein Sauhaufen ist das, was sich Abgesandte Gottes nennt. Aber es sind halt Menschen, nicht mehr und nicht weniger.«
Irmi betrachtete den Mann interessiert. Harte, klare Worte von einem Kirchenmann.
»Ja, Frau Mangold, es menschelt, aber ich bin nicht hergekommen, um philosophische Betrachtungen über das Wohl und Wehe der Kirche anzustellen. Auch nicht wegen Ihres Bruders, wobei er mir von den vielen Ministranten gut im Gedächtnis ist. Er hat sich kaum verändert. Immer noch dasselbe Lausbubengesicht.« Er lächelte. »Aber um auf den Punkt zu
Weitere Kostenlose Bücher