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Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)

Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)

Titel: Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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nicht nötig, oder?«
    »Nein, ich glaube, er hat das getan, weil sie aus einer der alten Wetzsteinmacherdynastien stammt. Er wollte den Makel seiner Kindheit ausmerzen.«
    »Die Burgi wurde mir als eher zwider beschrieben. Haben Sie sie kennengelernt?«
    »Sie war immer schon eine eher spröde Frau. Nicht unrecht, aber mit Sicherheit die völlig falsche Partnerin für Xaver. Die beiden hätten sich trennen sollen. Nicht als die Kinder klein waren, aber später.«
    »Eine unorthodoxe Ansicht für einen Geistlichen, der doch eine Ehe schließt, die halten soll, bis dass der Tod sie scheidet«, sagte Irmi und hoffte, sie war damit nicht zu weit vorgeprescht. Sie kam auch noch aus einer Generation und aus einer Lebenswelt, in der man Respekt vor dem Lehrer und dem Pfarrer gelernt hatte.
    »Wie gesagt, ich bin im Ruhestand, Frau Mangold. Ich bin Jahrgang 1943 und würde lügen, wenn ich sage, ich hätte vom Krieg noch viel mitbekommen. Aber ich habe eine Erinnerung an die späten Vierzigerjahre und die frühen Fünfziger. Da zählten andere Werte als Selbstverwirklichung. Da war keine Zeit für Lebensreflexion. Da musste man was zu essen organisieren, Heere von Flüchtlingen unterbringen, Häuser wieder aufbauen. Damals wurden viele Ehen nicht im Himmel geschlossen. Manche hat diese Zeit auch zusammengeschweißt, andere nicht.«
    »Aber was für ein Typ war Xaver denn nun?«
    »Das ist sehr schwer zu beschreiben. Er war ein Charmeur. Hallodri würde ich gar nicht sagen. Er war so eine Art Gottvater persönlich.« Er lachte. »Das dürfte ich auch nicht sagen, aber er breitete seinen Mantel aus. Er nahm Menschen unter seine Fittiche, er war immer sehr großzügig, wenn jemand Hilfe brauchte, und im Wirtshaus schmiss er auch gern mal eine Lokalrunde. Zu beurteilen, ob er das aus Berechnung tat, steht mir nicht zu. Vielleicht hat er sich damit auch Freundschaften erkauft, aber er war halt ein Rattenfänger, ein Menschensammler. Er konnte begeistern. Und viele Frauen erlagen seinem Charme. Ich weiß, Polygamie ist nicht gerade das Credo meiner Kirche, aber Xaver Schmid war ein Mann, der wirklich glaubte, mehrere Frauen glücklich machen zu müssen. Und zwar müssen, nicht bloß können. Er hätte auch gut damit leben können, mit zwei oder drei Geliebten unter einem Dach zu wohnen. Was Burgi natürlich nie erlaubt hätte. Sie war introvertiert, mochte keine Menschenaufläufe und riesigen Feste, wie Xaver sie zu geben pflegte. Das setzte ihr zu, sie konnte sich da nicht entspannt bewegen. Im Einzelgespräch war sie hingegen sehr herzlich und klug. Xaver hat sie einfach überrollt.«
    »Und betrogen?«
    »Ja, immer wieder, und das Komplizierte an seiner verschrobenen Denkweise war, dass er diese anderen Frauen nicht wie Geliebte zum Zeitvertrieb hielt, sondern auch denen als Ernährer und Gönner gerecht werden wollte. Er kreiste als Zentrum in seinem eigenen Universum, das für ihn selbst ganz schlüssig war. Nur war das für die Welt rundum nicht eben leicht zu verstehen.«
    »Aber seine Söhne litten doch sicher darunter, oder?«
    »Ich kenne die beiden nicht sehr gut. Aber ich glaube, Markus hat den Gegenentwurf gewählt und will eine perfekte Einehe führen. Und Franz trinkt, der hat immer schon getrunken. Wissen Sie, ich bin Pfarrer, kein Psychologe.«
    Vielleicht aber ein besserer Therapeut, als die meisten ausgebildeten Psychologen es waren, dachte Irmi und sagte: »Lassen Sie mich mal ein wenig laienhaft herumpsychologisieren: Hat er das alles getan, um seine erste große Liebe zu vergessen? Oder wollte er etwas wiedergutmachen, indem er andere Frauen beglückte? Vorausgesetzt, man folgt seiner kruden Logik.«
    »Möglich, Irmi, gut möglich. Wir blicken den Menschen ja nur ins Gesicht, man kann immer mogeln. Wir sehen ja nicht in die Herzen. Auch ich bin kein Hellseher.«
    Sie schwiegen eine Weile und tranken Bier.
    »Ich werde mit Xaver Schmid reden müssen«, sagte Irmi nach einer Weile zögerlich.
    »Sie meinen, Sie müssen ihm sagen, dass ich ihn denunziert habe?«
    »Eventuell …«
    »Wenn das Gottes Wille ist. Irmgard, Sie sind eine kluge, besonnene Frau. Sie machen das schon richtig. Ich bin ein alter Mann. Und Xaver Schmid ist ein uralter Mann, und er kam zu mir, weil er dachte, dass er bald sterben würde. Es ist nicht immer gut, Wahrheiten tief in sich zu verschließen. Auch Xaver Schmid konnte es letztlich nicht. Vielleicht habe ich ihn nun verraten. Vielleicht aber habe ich ihm am Ende geholfen. Das

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