Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
Mann, dessen Gesicht von vielen Linien durchzogen war, dessen Augen aber so jung wirkten. »Herr Pfarrer, nehmen Sie an, die tote junge Frau könnte wirklich Xaver Schmids Enkelin gewesen sein?«
»Drängt sich der Verdacht nicht auf?«, entgegnete der Pfarrer fast verzweifelt.
»Haben Sie irgendeinen Anhaltspunkt? Ist Schmid noch mal zu Ihnen gekommen?«
Der Geistliche schüttelte den Kopf. »Vielleicht hätte ich besser nicht …«
»Nein, um Gottes willen …« Irmi stutzte. Wie oft verwendete man diese Redewendung. Wenn dieser Gott bloß mal offenbaren würde, was sein Wille war. »Es ist gut, dass Sie gekommen sind. Wirklich! Ich bin nur etwas irritiert, weil wir bisher immer davon ausgegangen sind, dass die junge Rumänin ermordet wurde und Runa, die Norwegerin, sozusagen in die Schusslinie gekommen ist. Wir glauben, die beiden jungen Frauen wurden umgebracht, weil Ionella aus dem miesen Betrugsgeschäft mit diesen Baumaschinen aussteigen wollte. Sie hatte im Auftrag der Herren Schmid die Korrespondenz mit den rumänischen Kunden übernommen. Die junge Norwegerin hatte sie aber davon überzeugt, die Mitarbeit zu beenden. Es ist sogar Schweigegeld geflossen.« Irmi hielt inne. »Ihr Beichtgeheimnis gilt immer noch, oder?«
»Natürlich bleibt das unter uns. Ich trage das nirgendwohin. Das würde dann ja bedeuten, dass die beiden Schmids nicht nur Baumaschinen gestohlen haben, sondern Mörder sind?«
»Ja, das ist der aktuelle Stand, die beiden Männer leugnen aber.«
»Und dann komme ich mit so einer seltsamen Geschichte aus der Vergangenheit. Ich muss mich entschuldigen.«
»Nein, ganz im Gegenteil. Alles, was ich erfahre, kann wie ein Puzzleteilchen das Gesamtbild vervollständigen. Und das hier könnte sogar ein Eckstück sein.«
Er nickte.
»Kannten Sie den alten Schmid denn näher? Oder die übrige Familie?«, fuhr Irmi fort. »Ich habe das Gefühl, immer nur an der Oberfläche zu kratzen. Xaver Schmid muss früher mal ein ziemlicher Hallodri gewesen sein, oder?«
Der Pfarrer lächelte wieder. »Xaver kommt aus ganz kleinen Verhältnissen. Kennen Sie die Geschichte Unterammergaus?«
»Ein wenig.«
»Dann wissen Sie sicher, dass man sich in den Bergen irgendwann auf die Suche nach Edelmetallen machte und dabei eine Plattenschicht entdeckte, die Kieselerde enthielt und sich zum Schärfen von Metallklingen eignete. Damit war die Grundlage für die Wetzsteinindustrie gelegt. In den goldenen Zeiten des 19 . Jahrhunderts war man auf den Messen in Leipzig vertreten und lieferte Wetzsteine bis nach Budapest. Man kehrte mit viel Geld in der Tasche zurück und baute großzügig. Trotz zweier Dorfbrände gibt es heute noch rund fünfunddreißig Gebäude in Unterammergau, die unter Denkmalschutz stehen. Es ist ein schöner Ort mit stolzen Bewohnern. Xaver Schmid jedoch stammt aus einer bitterarmen Kleinhäuslerfamilie, die nicht vom Wetzsteinboom profitierte. Der Vater starb früh an einer Lungenentzündung, und die Mutter musste sich und die vier Buben irgendwie durchbringen. Xaver war sicher intelligent, aber bis dahin ohne Chance. Ihm kam der Krieg im Grunde gelegen. Ja, das muss ich so sagen. Er konnte weggehen, ins Abenteuer reiten. Warum er als Ammertaler ausgerechnet bei der Marine landete, weiß ich auch nicht. Aber er hatte sicher eine Menge Improvisationstalent und Überlebenswillen im Gepäck. Ich weiß nur, dass er irgendein Patent erfunden hat, das ihm der Amerikaner angeblich Ende der Vierzigerjahre abgekauft und das ihm noch lange danach lukrative Erträge gebracht hat.«
»Er war also begütert? Oder ist es noch?«
»Zumindest wird er nicht durch seine Landwirtschaft zwei Höfe und mehrere Bauplätze in Bad Bayersoien erwirtschaftet haben. Einige Jahre nach seiner Rückkehr aus dem Krieg hat er jedenfalls anderen Bauern Grund abgekauft. Eigentlich das ganze Wiesmahd auf der Kappeler Seite bis Wurmansau. Auf der anderen Talseite hat er sehr viel Wald erworben, droben am Köpfel. Das war ziemlich klug, früher war Wald nichts wert. Heute schon.«
»Das gehört alles Xaver Schmid?«
»Ich schätze mal, fünfzig Hektar Wiesen und weitere hundert Hektar Wald.«
Irmi pfiff durch die Zähne. »Das Wiesmahd ist wenig wert, aber der Wald!«
»Teile vom unteren Wiesmahd wurden dann in den Fünfzigern bebaut, dabei hat er Geld gemacht, viel Geld, keine Frage.«
»Dann hat er die Burgi ja gar nicht geheiratet, weil sie wohlhabend war! Das wurde uns nämlich erzählt. Dabei hatte er das doch gar
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