Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
klang etwas zu scharf. Aber es war eben so schwierig, all diese Dinge am Telefon zu besprechen. Sie hätte mindestens ein ganzes Abendessen unter vier Augen benötigt, um ihm ihre Gefühle zu erklären. Ihm von dieser neuen Sicherheit zu erzählen, die sie jetzt empfand, da sie wieder in ihr Leben zurückgekehrt war, das sie doch liebte, so, wie es war. Von diesem Wissen, dass es immer eine Tür gab, dass man nur lernen musste, sie auch zu öffnen.
Er ruderte zurück. »Na ja, es geht mich ja auch nichts an.«
Natürlich ging es ihn etwas an. Wohin lief das Gespräch nur? Sie hatte sich nach ihm gesehnt, warum verbockte sie es schon wieder?
»Jens, ich bin hier, und das ist gut so. Ehrlich. Magst du etwas über den Fall wissen?«
»Darfst du denn darüber sprechen?«
»Das sind doch keine Staatsgeheimnisse. Ich hoffe nur, die Russen oder die USA hören dich nicht ab. Das ist ja recht beliebt geworden. Was machst du überhaupt in Murmansk?«
»Die Software der staatlichen Fischereiflottenakademie modifizieren.«
»Dann bist ja du der Geheimnisträger, Jens Bond! Ich frag besser nicht weiter. Oder doch? KGB ?«
Es war gut, dass sie das Ruder hatte herumreißen können, um in ein offenes Fahrwasser hinauszusteuern.
»Es ist halb so spannend. Fischfangquoten. Werftarbeiten. Klimamodelle zum Golfstrom, der Murmansk momentan noch einen eisfreien Hafen beschert. Nichts Geheimes. Aber erzähl doch, soweit du eben darfst.«
Und sie erzählte. Es wurde ein langes Gespräch zwischen Schwaigen und Murmansk. Was für eine skurrile Welt, dachte Irmi. Da plauderte sie mit einem Mann in Russland über eine tote Rumänin und eine tote Norwegerin und saß währenddessen auf ihrem Bett in Schwaigen bei Eschenlohe. Zwei urbayerische Kater schnurrten derweil sonor und sandten Wellen kätzischen Wohlbefindens über die Telefonleitung nach Murmansk.
Irmi berichtete von Ionella, die Teil eines verbrecherischen Systems geworden war, und deren voranpreschender norwegischer Freundin. Und erklärte ihm ihre derzeitige Annahme, dass die beiden Frauen zu einem massiven Störfaktor in jenem System geworden waren, das eben noch so gut funktioniert hatte, und deshalb aus dem Weg geräumt werden mussten.
»Doch diese Hypothese überzeugt dich nicht?«
»Die Tatverdächtigen geben zwar zu, vor Ort gewesen zu sein und sich auch mit den Mädchen getroffen zu haben, aber den Mord leugnen sie. Und dann ist vorhin, als ich beim Abendessen über den Fall nachgegrübelt habe, auf einmal der Pfarrer vorbeigekommen.«
»Der Pfarrer?«
Irmi erzählte, dass Xaver Schmid ein uneheliches Kind in Norwegen gezeugt habe. Und dass erst der Pfarrer sie auf die Idee gebracht hatte, dass es einen Zusammenhang geben könnte.
»Die eine Tote ist die Enkelin, meinst du?«
»Das hat jedenfalls der Pfarrer vermutet. Dabei sind wir nicht mal sicher, ob das dann eine Enkelin oder eine Urenkelin wäre. Ach, aber das ist wahrscheinlich auch alles Unsinn!«
»Hör mal, Irmi, was zählt, ist dein Gefühl.«
»Das ist es ja. Ich bin mir da so unsicher und schwanke hin und her wie eine Betrunkene.«
»Also, Irmi, zumindest solange ich dich kenne, hast du nie so viel getrunken, dass du geschwankt wärest. Und du hattest immer den richtigen Riecher. Angenommen, diese Runa ist nicht irgendeine Norwegerin, sondern ebendiese Enkelin oder Urenkelin, dann hätte sie sich doch irgendjemandem zu erkennen geben müssen. Oder jemand in der Familie hätte ihre wahre Identität aufgedeckt?«
»Völlig richtig. Das muss ich noch herausfinden. Ich weiß nur nicht, wie ich das überhaupt angehen soll. Als der Pfarrer vor mir saß, war mir Xaver Schmid so nahe. Ich habe ihn vor mir gesehen in Nordnorwegen. Aber mit etwas Abstand ist das einfach eine Geschichte, die nichts mit dem Hier und Jetzt zu tun hat.«
»Wenn die letzten Zeitzeugen gestorben sind, dann ist es Geschichte. Bis dahin ist es ein Leben«, sagte Jens leise.
»Du meinst also, ich soll in diese Richtung weiterdenken und weiterrecherchieren? Allerdings frage ich mich schon, wie viele junge Norwegerinnen es allein in Bayern geben mag. Sollte Runa wirklich die Enkelin oder Urenkelin eines Ammertalers sein, der in Norwegen gedient hat? Wir wissen ja nicht mal, ob es eine Enkelin gibt.«
»Genau das wirst du herausfinden. Weil du es musst. Es lässt dir eh keine Ruhe. Ich kenne dich, und du kennst dich auch, Irmi.«
»Du bist dir so sicher!«
»Natürlich bin ich mir sicher. Du tust schon das Richtige, und es
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