Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
in die Küche und machte Licht an. Mit einer fahrigen Handbewegung deutete sie zu ein paar weißen Stühlen vor einem abgewetzten Tisch. Eine nordische Küche. Viel Weiß, blaue Stoffe. Ein Stil, der Irmi sehr gefiel.
»Was ist hier eigentlich los?«, donnerte Aksel, nachdem sie sich gesetzt hatten. »Wir waren mehrmals hier, haben geklingelt und angerufen. Warst du das, die gleich wieder aufgelegt hat? Wer bist du überhaupt? Was tust du im Haus der Dalbys?«
Die junge Frau sah von Aksel zu Irmi, zupfte nervös an ihren Haaren und wirkte völlig verstört.
»Bist du taub? Was tust du hier?«, kam es erneut von Aksel.
»Du bist doch Marit, oder? Marit Aarestad?«, fragte Irmi.
Das Entsetzen im Gesicht der jungen Frau war grenzenlos. Dann begann sie zu weinen und stammelte etwas auf Norwegisch. Sie zitterte am ganzen Körper.
Aksel stellte ein paar schnelle Fragen, auf die sie leise antwortete.
»Was sagt sie?«
»Sie sagt immer nur, dass sie Marit schon seit Tagen nicht mehr erreicht. Sie geht nicht mehr ans Handy und antwortet nicht mehr auf E -Mails.«
»Warum Marit?« Irmi starrte Aksel an und dann das Mädchen. »Who are you?«, fragte Irmi auf Englisch.
»Runa. Runa Dalby.«
Es war still. So still. Irmi suchte mit dem Blick die Augen des Mädchens, die in Tränen schwammen. Aksel war völlig konsterniert. Dann schleuderte er der jungen Frau wieder eine Salve von Fragen entgegen, die sie schluchzend beantwortete. Irmi saß derweil auf den sprichwörtlichen heißen Kohlen, denn sie verstand nur wenige Brocken Norwegisch. Es fielen die Namen Marit und auch Schmid. Und immer wieder Marit.
Plötzlich brach das Mädchen zusammen. Sackte einfach zur Seite. Aksel war sofort bei ihr und brachte sie in die stabile Seitenlage. Fast gleichzeitig brüllte er in sein Handy nach einer »Ambulanse«. Das Mädchen war bewusstlos und atmete flach.
»Das ist Runa Dalby, forbannet! Irmi, ich verstehe gar nichts mehr. Ich hoffe, der Notarzt kommt schnell.«
Schon Minuten später war der Krankenwagen da. Mit schnellen Handgriffen luden die Männer das Mädchen ins Auto. Sie bekam Sauerstoff und eine Spritze, und schon fuhr der Wagen Richtung Krankenhaus.
Irgendwann hatte sich das ganze Getümmel gelegt. Irmi und Aksel sanken an den Küchentisch.
»Was hat sie gesagt, um Himmels willen?«
»Es ist tatsächlich Runa Dalby! Sie sagt, dass ihre Freundin Marit Aarested nach Bayern gefahren sei. Runa hat wohl die ganze Zeit versucht, sie zu erreichen. Sie sei schon ganz krank vor Sorge gewesen, meint sie. Fast hätte sie die Polizei gerufen, dann habe sie sich aber nicht getraut. Sie sprach davon, dass der ganze Plan ein Wahnsinn gewesen sei. Als ich gesagt habe, dass in Bayern eine Norwegerin ums Leben gekommen sei, ist sie zusammengebrochen.«
In Irmis Kopf drehte sich alles. Bilder liefen durch wie im Daumenkino. Das Skelett des verbrannten Hauses. Frau Dr. Strissel. Der Kini. Die Kappel. Thomas Schmid. Tereza. Xaver Schmid. Das Foto der beiden Mädchen.
Sie zog es aus der Tasche und legte es vor Aksel auf den Tisch. »Das sind die beiden. Aber warum war Marit in Bayern und hat sich überall als Runa ausgegeben? Bei der Frau, die sie untergebracht hat, bei Ionella und gegenüber ihrer Arbeitgeberin im Museum? Mein Gott, dann muss es sich ja bei der toten Norwegerin um Marit handeln und nicht um Runa! Warum das alles?«
»Keine Ahnung. Das würde ja heißen, dass die beiden Mädchen die Identität getauscht haben, oder?«
»Das wäre die einzige Erklärung. Aber warum?«
»Jetzt fahren wir erst mal ins Krankenhaus und befragen Runa Dalby.«
Auf dem Weg zum Krankenhaus tanzten die Lichter noch immer über der Stadt. Schon bald waren sie da. Aksel sprach kurz mit einer Krankenschwester und eilte einen Gang entlang. Dort wandte er sich an einen Arzt und wechselte ein paar Sätze.
»Meine Frau arbeitet hier. Sie ist Ärztin«, erklärte Aksel seiner deutschen Kollegin, die ihm gefolgt war. »Deshalb kenne ich hier einen Haufen Leute. Runa ist wieder bei Bewusstsein. Wir müssen aber noch warten, bis wir mit ihr sprechen dürfen. Ich hole uns so lange einen Kaffee.«
Irmi wäre ein großes Bier zwar weitaus lieber gewesen, aber sie trank das angebotene schwarze Gebräu, das ihren Magen noch saurer machte, und wartete.
Nach anderthalb Stunden tauchte eine Ärztin auf. »Hei«, sagte sie in Irmis Richtung. Auch sie schien Aksel gut zu kennen, die beiden redeten kurz, bevor sie sich mit einem freundlichen »Bye«
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